Grayday
schweben.« Die Aufzüge und andere Versorgungseinrichtungen sind auf die Rückseite verbannt worden, um den Blick auf den Fluss nicht zu beeinträchtigen. Die am tiefsten gelegene Wohnung befindet sich vier Stockwerke über der Erde, und Sir Nigels Partner hat den Raum darunter mit all den Annehmlichkeiten voll gestopft, die einer Wohnanlage mit internationalem Standard angemessen sind. An der Rezeption ist eine Karte erhältlich, die zeigt, wo in In Vitro die Olympiamaßstäben genügende Schwimmanlage, seine Sportstätten, Saunen und Solarien, seine Badebecken, Tennisplätze und die Bowlingbahn sowie das unterirdische Parkhaus liegen, nicht zu vergessen der innovative Meditationsraum im Stil der Hopi-Indianer: ein weiß gepolsterter Raum, in den versteckte Lautsprecher die Naturlaute des amerikanischen Südwestens übertragen.
Guy hatte seine Wohnung auf dem Höhepunkt des Booms der späten neunziger Jahre gekauft. Als Tomorrow* sich aufwärts entwickelte, erschien es ihm angemessen, dass er als Hauptgeschäftsführer einer Weltklasse-Agentur auch eine entsprechende Unterkunft bezog. Es gab noch andere Faktoren, die seine Entscheidung beeinflussten. Er hatte manchmal den Verdacht, obwohl er da nie sicher sein konnte, dass die Wohnung einer der Gründe war, weshalb Gabriella sich bereit erklärt hatte, bei ihm einzuziehen. Bisweilen hegte er sogar den Verdacht, dass für ihn unterbewusst der Hauptgrund für den Kauf dieser Wohnung der gewesen war, Gabriella leichter überreden zu können, bei ihm einzuziehen. Aber das war ein psychologisches Terrain, dessen nähere Untersuchung sich nicht auszahlen würde. Der Kaufpreis war natürlich astronomisch hoch gewesen, aber damals hatte er den Eindruck, es lohne sich, die Schulden aufzunehmen, nur um die neidischen Gesichter seiner Geschäftsfreunde zu sehen, als er sie zur Wohnungseinweihung einlud.
Guy war Millionär, das aber eher technisch gesehen. Sein Foto wurde zwar in der Zeitschrift Future Business in der Liste der 100 Top-Jungunternehmer des kommenden Jahrtausends neben einer Ziffer von £3,1 Millionen »Privatvermögen« gezeigt; aber diese Zahl beruhte fast ausschließlich auf einer Bewertung von Tomorrow*, woran Guy nach der letzten Risikokapitalfinanzierungsrunde einen verminderten Anteil hielt. Sein Barvermögen hingegen war vergleichsweise bescheiden. Damals hatte er den Kauf der Wohnung als eine Chance gesehen, die Firma weiter zu vernetzen: Sicherlich würde er auf den Gängen eines so exklusiven Hauses allen möglichen potentiellen Kunden über den Weg laufen.
Zu seiner Enttäuschung stellte er bei seinem Einzug fest, dass der ganze Komplex schauerlich leer war. Die Sport- und Badeanlagen wurden ausgezeichnet gepflegt, aber kaum benutzt. Zwar waren die meisten Einheiten bereits verkauft worden, bevor die Anlage überhaupt fertig gestellt wurde, aber viele waren im Besitz von Ausländern und blieben den größten Teil des Jahres unbewohnt. Andere waren Firmen- oder Gemeinschaftswohnungen, deren Bewohner alle paar Wochen wechselten. Wenn Guy Bewohner von In Vitro im Fitnessstudio traf, nickten sie misstrauisch und versuchten ihre Überraschung darüber zu verbergen, dass sie an dieser normalerweise leeren Stätte auf einen anderen Menschen gestoßen waren. Völlig menschenleer heizte sich die Sauna auf und kühlte sich wieder ab, und im Meditationsraum heulten die Kojoten ungehört. Früh am Morgen, ehe die europäischen Märkte öffneten, konnte man ein paar Leute finden, die im Pool ihre Runden schwammen, aber für gewöhnlich waren sie einander fremd. In den Aufzügen starrten die Fahrgäste mit festem Blick auf die flimmernden Zahlen der LCD-Anzeige. Manchmal schielten sie heimlich auf die Gesichter, die sich in den blanken Stahltüren spiegelten. Manchmal nicht.
Er bezahlte das Taxi, und ein Pförtner eilte herbei und spannte einen schneeweißen In-Vitro-Regenschirm auf, den er auf dem Weg in die Vorhalle über Guy hielt. Der Pförtner rollte seinen Koffer über den Asphalt und fragte Guy, ob er eine angenehme Reise gehabt habe. Wie alle Mitglieder des Empfangsteams von In Vitro hatte auch dieser einen undefinierbaren osteuropäischen Akzent, der Guy nicht gefiel. Osteuropa vermittelte ihm nicht das Gefühl von Kundenservice.
In der Vorhalle saßen zwei stoppelhaarige Männer auf Drehstühlen und beobachteten eine Reihe von Monitoren. Der Sicherheitsdienst wurde dadurch »dramatisiert«, wie Pelham Partnership es formulierte, dass er in einem
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