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Grayday

Grayday

Titel: Grayday Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hari Kunzru
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zu werden, war neu für Guy und nicht sehr angenehm. Dass ihm der Sitzsack angeboten wurde, war offensichtlich eine Falle, aber er musste das Beste daraus machen, und so zog er den unförmigen Kunstledersack zu einer Stelle, wo er sich wenigstens mit dem Rücken gegen den Flipperautomaten lehnen konnte. In dieser Position befand er sich fast auf Augenhöhe mit Yves.
    Yves nickte weise, das Nicken eines Mannes, der seine professionelle Billigung einer Konferenztaktik zu erkennen gibt. Guy bemerkte mit einem Gefühl ohnmächtiger Wut, dass die Papiere in Yves’ Händen die neuesten Kostenaufstellungen der Firma waren. Er zwang sich zu einem Lächeln. »Sind Sie sicher, dass Sie nicht lieber nach oben gehen wollen?«
    »Es ist okay hier.«
    Guy musste etwas tun, damit er die Initiative wiedererlangte. Um Zeit zu gewinnen, gab er vor, er müsse auf seinem Handy einen Anruf entgegennehmen, machte zu Yves hinüber ein »Nur eine Minute«-Zeichen, klemmte sich den Hörer ans Ohr und spazierte in Richtung Rezeption. Dort versuchte er nachzudenken. Einen Überraschungsbesuch von Yves Ballard konnte man sich auf viele Arten deuten, von denen aber keine positiv war. Yves war Teilhaber bei Transcendenta, dem Risikokapitalunternehmen, dessen Investitionen dazu beigetragen hatten, dass Tomorrow* verwirklicht wurde. In letzter Zeit war eine gewisse Kühle in den Beziehungen zwischen Transcendenta und Tomorrow* eingetreten. Es war die Rede davon, Vollzugsziele zu setzen und eine alsbaldige Kapitalrückzahlung ins Auge zu fassen. Guy warf einen Blick auf den Franzosen. Yves war wie immer in der typischen Ausgehuniform der internationalen Geschäftswelt gekleidet: Drillichhosen, Mokassins, die viel Argyll-Socke sehen ließen, ein blaues Baumwoll-Button-down-Oberhemd mit dem Logo eines konservativen Modehauses auf der Brusttasche; Kleider, die international so geläufig und neutral waren wie sein vierzig-und-noch-was altes Gesicht mit seinen angenehmen, doch irgendwie nicht voll ausgenutzten Gesichtszügen. Diese hatten sich im Moment zu einem Ausdruck gewollter Gelassenheit versammelt, einem tückischen Zierteich von Gesicht. Yves war hier, um über Geld zu reden, da herrschte kein Zweifel.
    Guy klappte sein Telefon zu und schlenderte zurück in Richtung Brainstormingzone, die von den meisten Tomorrow* -Angestellten für den Freizeitbereich gehalten wurde, weil dort weiche Sitzgelegenheiten, ein Fernseher und was zum Spielen zu finden waren. Yves ließ den Blick müßig über die antike Industrienähmaschine gleiten, die die Umbauarchitekten aus dem Vorleben des Gebäudes als Kleiderfabrik gerettet hatten. Guy ließ gern neue Mitglieder der Belegschaft sich neben dieser Maschine aufstellen. Ihre Inspiration sollte von dort kommen, pflegte er ihnen zu sagen. Dieser Metallbrocken versteht den wahren Sinn der Arbeit.
    »Sie haben noch zusätzliche Leute eingestellt«, sagte Yves.
    Guy erklärte die Vorzüge, ein hausinternes Produktionsteam zu etablieren, und pries die gute Arbeit, die von den neuen Marktforschern geleistet wurde. Er plapperte drauflos, während er nervös gewahr wurde, in welche Richtung Yves steuerte.
    »Schauen Sie, wenn wir nach oben gingen, könnten wir beide bequem sitzen.«
    Er versuchte es wie einen Witz klingen zu lassen, aber heraus kam es als flehentliche Bitte. Die Hälfte der obersten Etage nahm ein Bereich ein, der dazu da war, Guys eigene Kreativität und Innovation zu fordern, ein Raum mit Blick über die Sozialwohnblocks und die umfunktionierten Lagerhäuser von East London, die er manchmal als seine Denklandschaft bezeichnete. Außer den üblichen Büromöbeln enthielt der Raum ein Liegesofa, einen Zeichentisch, Kästen mit unbenutzten Kunst- und Designartikeln, ein Heimkino und einen Schrank mit mehreren Spielzeugrobotern und Erinnerungen an Quentin Tarantino. Das war sein Reich. Wenn sie dort hinaufgingen, würde er sich nicht mehr so ungeschützt fühlen.
    Ballard schenkte seinem Vorschlag keine Beachtung. »Ich habe gehört, Sie haben einen neuen Auftrag erhalten?«
    »Wir schließen das Geschäft gerade eben ab.«
    »Ich dachte, deswegen sind Sie nach New York geflogen. Wegen dieses neuen Produkts von Pharmaklyne. Dem SSRI.«
    »Genau. Es war ein sehr erfolgreiches Treffen. Unsere kreative Arbeit hat ihnen Eindruck gemacht. Wir hatten eine repräsentative Auswahl junger städtischer Profis Videotagebücher über ihre Ängste anfertigen lassen.«
    »Aber unterschrieben haben sie nicht.«
    Guy war

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