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Grayday

Grayday

Titel: Grayday Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hari Kunzru
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habe dir noch gar nicht von Ramu erzählt. Aber du musst mir versprechen, Ma und vor allem Pa nichts zu sagen.«
    Es war alles zu viel, das Glück in ihrer Stimme, die Erregung. Er hielt den Hörer von seinem Gesicht weg, damit sie ihn nicht weinen hörte.
    »Warte einen Moment«, sagte seine Schwester, und er hörte, wie sie sich in ein Schlafzimmer einschloss.
    »Ramu ist – verstehst du, er ist etwas Besonderes. Er ist intelligent, und er ist lieb, und er ist kein Idiot wie die meisten anderen Männer bei der Arbeit. Er ist so ulkig. Ich weiß, du würdest ihn mögen. Und sein Bruder ist in Australien. Tatsächlich in Australien. Er wohnt in Bondi, direkt am Strand. Wie findest du das? Wenn wir hinfahren würden, könnten wir surfen gehen. Arjun? Bist du noch da?«
    Er versuchte sein stoßweises Atmen unter Kontrolle zu bringen. »Ja, ich bin da.«
    »Arjun, ich glaube, ich liebe ihn. Wir wollen heiraten.«
    »Was?«
    »Er hat mit seinem Vater geredet, und sie wollen herkommen und mit Ma und Pa sprechen.«
    »Heiraten?«
    »Was sagst du dazu, Bro? Freust du dich für mich? Arjun?«
    »Wo ist er her?«
    »Kolkota. Sie sind Chaudhuris. Arjun, sprich nicht wie Ma. Freust du dich nicht wenigstens ein bisschen für mich?«
    »Klar.«
    »Na, das könntest du aber deutlicher hören lassen. Wenn wir heiraten, möchte Ramu, dass wir nach Australien ziehen. Um wirklich dort zu leben.«
    »Und was ist mit unseren Eltern?«
    »Ist das alles, was du dazu sagen kannst? Ich erzähle dir, dass ich den Mann meines Lebens gefunden habe, und du fragst, was mit unseren Eltern ist?«
    »Es ist sehr schlecht, Priti. Alles ist schiefgelaufen.«
    »Du bist manchmal so egoistisch. Warum muss sich immer alles um dich drehen?«
    Es trat ein langes Schweigen ein. Ihm war klar, dass sie sein stoßweises Atmen hören konnte. Sie wusste, irgendetwas stimmte nicht.
    »Arjun? Was ist passiert?«
    »Es ist kompliziert. Und es bedeutet, ich könnte in der Zukunft nicht da sein, also – also, tja, Australien kommt nicht in Frage, okay? Du musst mir versprechen, dass du bleibst und dich um Ma und Pa kümmerst.«
    Jetzt war sie mit Schweigen an der Reihe.
    »Sis?«
    Ihr Geschrei verzerrte das Signal. »Oh, mein Gott. Warum sagst du das? Das ist so typisch. Du kannst weggehen und in Amerika ein großes Ass werden. Und bloß weil ich ein Mädchen bin, muss ich bleiben und Kindermädchen spielen? Du bist – du bist ein Blödmann. Ein sexistischer Blödmann. Warum solltest du denn nicht für sie sorgen, wenn sie alt werden, eh? Warum nicht du? Du bist genauso schlimm wie Papa.«
    »Priti, bitte. Ich habe Angst.«
    »Was?«
    »Ich habe was gemacht. Ich habe Scheiße gebaut. Und das heißt, vielleicht komme ich nicht wieder.«
    »Arjun?«
    »Was passiert mit ihnen, wenn wir beide nicht da sind?«
    »Wovon redest du?«
    »Sis.«
    »Oh, Arjun, ich wusste, dass etwas nicht stimmte. Du warst so merkwürdig.«
    »Ich habe einen Fehler gemacht, okay. Einen großen Fehler. Und es gibt keine Möglichkeit, ihn auszubügeln.«
    »Ich verstehe nicht. Was sagst du?«
    »Du kommst schon noch dahinter. Vielleicht kommen sie und stellen dir Fragen, deswegen ist es besser, wenn du nichts weißt. Ich liebe dich, okay? Und du musst Ma und Pa sagen, dass ich auch sie liebe.«
    »Aber worum geht es denn?«
    Arjun konnte nicht antworten. Er hielt den Telefonhörer locker in der einen Hand, und sein Mund hing offen wie der von einem Fisch, als er sah, wie auf Monitoren im ganzen Busbahnhof sein Gesicht erschien. Wahnsinn oder ein böser Traum. In der Falle auf der anderen Seite der Glasscheibe. Eine Nachrichtenmeldung. Cyberterror-Verdächtiger: Das FBI veröffentlicht Foto.
    Langsam hängte er den Telefonhörer in die Gabel und drehte sein Gesicht zur Wand.
    Auf dem Foto lächelte er, hatte ein gestreiftes Hemd an und machte das Zeichen der nach oben gereckten Daumen. Es war ein Ausschnitt aus einem Schnappschuss, der in Jimmy’s Brewhouse in Redmond gemacht worden war. Mit Chris’ Fotoapparat. Was bedeutete, dass sie mit Chris gesprochen hatten.
    Entschuldigung, Chris.
    Er wagte einen Blick zurück auf den Monitor, der sein Gesicht gegen Bilder von langen Schlangen vor einer Flughafenabfertigung eingetauscht hatte. Darauf folgte ein Kommentar eines finster blickenden republikanischen Kongressabgeordneten mit gestreifter Krawatte und dann sie, Leela Zahir, wie sie in High School Hearts auf einem Lehrertisch tanzt. Nicht ihr bester Film, in dem sie obendrein (mit Bubikopf

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