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Grayday

Grayday

Titel: Grayday Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hari Kunzru
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und einem zitronengelben Overall) nicht am schönsten ausgesehen hatte, trotzdem ließen die Bilder ihm das Herz im Halse schlagen. Zehn Sekunden sehnsüchtiges Verlangen und dann rüber zum Sport, wo sich Gorillas in kugelsicheren Westen an einer Ziellinie aufreihten und ein zwei Meter langer Teenager nach einem Reifen sprang.
    Was jetzt?
    »Biste fertig, Kumpel?« Auf das Telefon zeigte ein älterer Schwarzer in einem T-Shirt, das für ein Gemeindereformprogramm warb. Entscheide dich für Dinwood. Einen Moment lang begriff Arjun nicht ganz. Biste fix und fertig, Kumpel. Du da unten. Er sprach wieder. »Brauchste den da?« Arjun schüttelte den Kopf und ging davon. Der kurze Weg zum nächsten freien Platz war eine Qual. In der Halle verarbeiteten sicherlich einhundert Augenhintergründe die Struktur seines Gesichts und verbanden unterbewusst Formen und Farben mit dem Fahndungsfoto in den Nachrichten. Jede Sekunde würde er jetzt das Tippen auf der Schulter fühlen, die strenge Stimme hören, die ihm sagte, er solle dafür sorgen, dass seine Hände immer schön sichtbar blieben. Er krümmte sich zusammen und beugte den Kopf in seine Jacke, weil er nicht aufzuschauen wagte, falls er jemandem aufgefallen sein sollte.
    Als sein Bus ausgerufen wurde, war die Welt um ihn herum quälend nah herangerückt und hatte sich gleichzeitig unendlich weit von ihm entfernt. Geräusche wurden verstärkt, jede raschelnde Illustrierte und jedes weinende Kind war eine potentielle Polizeisirene. Zur gleichen Zeit war er von all den anderen wartenden Leuten, der obdachlosen Frau mit der Duschkappe, dem jungen Sergeant mit dem Bürstenschnitt und der Dame mit der Dauerwelle und der Rätselzeitschrift, wie durch eine Plexiglaswand abgeschnitten.
    Er stieg in den Bus und setzte sich auf seinen Platz, und seine Organe vibrierten, als der Fahrer den Motor anließ. Er fühlte sich matt und merkte, dass er unbewusst den Atem anhielt. Er musste sich konzentrieren, um einzuatmen und wieder auszuatmen. Um ihn herum ließen sich Leute nieder, ein tätowierter Lateinamerikaner, der sich eine Jacke als Kissen unter den Kopf stopfte, eine Mutter, die ihre kleine Tochter mit Maischips fütterte. Niemand schenkte ihm die geringste Beachtung. Es war wie Zauber, ein Status quo, zart wie eine Seifenblase. Eine Bewegung, und sie würden wie eine Meute über ihn herfallen.
    Es konnte nun nicht mehr lange dauern. Wie viele Stunden Freiheit hatte er noch?
    Als der Bus in San Diego ankam, wurde es gerade dunkel. Er wusste aus Filmen wie Inspector 2000 und Run Arundhati Run, dass Schnelligkeit für jemanden auf der Flucht sehr wichtig ist. Aber eine fatalistische, religiöse Stimme in ihm flüsterte, dass es kommt, wie es kommen muss, dass seine Chancen so gering seien; er könne ruhig ein, zwei Stunden schlafen.
    Er verließ den Busbahnhof so schnell er konnte und brachte zwei oder drei Querstraßen hinter sich und das hektische Gewühl, bevor er aufs Geratewohl in eine Seitenstraße mit einem Gemischtwarenladen an der Ecke einbog. Er warf einen kurzen Blick ins Innere, wo der Sikh-Besitzer für einen Kunden Lebensmittel in eine Tüte packte. An der Wand hinter ihm hing ein Kalender, eine amerikanische Fahne und ein bekränztes Porträt von Guru Nanak. In diesem Laden und der Wohnung darüber gäbe es Reis und paan parag und Bänder von Lata Mangeshkar, in Papier eingewickelte Weihrauchkegel, Stahlschüsseln und Star TV auf Kabel, Paare ausgelatschter Leder- chappals und Kichererbsen im Einweichwasser und eine Familie, die eine Sprache spricht, die seiner eigenen ähnelt, Wörter, die zu den entlegenen Gerüchen von ghi und Staub und Petroleum und Küchenfeuer passen. Sein Herz fühlte sich leer an, eine ausgeleerte Papiertüte.
    Am Ende des Blocks lag ein Motel, dessen hohes Reklameschild in Abständen blinkte. Lucky’s Motor Lodge: Color Kabel-TV Direktwahl-Telefone Klimaanlage Parkplatz Nur für Gäste. Eine gelangweilte Chinesin nahm sein Geld und hielt ihm einen Vortrag, interpunktionslos monoton wie das Reklameschild, Auschecken mittags Eismaschine unter der Treppe zerschlagenes Geschirr wird bezahlt keine Partys. Das Zimmer roch nach Zigarettenrauch und Kiefernöl-Desinfektionsmittel. Er ging ins Bad, zerriss die Hülle eines eingesiegelten Plastikbechers und füllte ihn mit Wasser. Es schmeckte grauenhaft. Er überlegte, ob er zu dem Gemischtwarenladen zurückgehen und eine Flasche Mineralwasser kaufen solle, fühlte sich aber plötzlich so müde, dass

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