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Grazie

Grazie

Titel: Grazie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chelsea Cain
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hatte Archie und Gretchen bei einer
ihrer wöchentlichen Sitzungen beobachtet. Es verfolgte sie immer noch.
    Archie rieb sich den Nacken und kniff die Augen zusammen wie
von einem plötzlichen Schmerz. »Ich fahre da nicht mehr hin«, sagte er.
    Susan war überrascht. »Tatsächlich?«
    Archies Gesicht ließ keine Regung erkennen. »Wir legen eine
Pause ein«, erklärte er. Es klang, als würde er von einer Trennung auf
Probe sprechen, nicht von einer laufenden Mordermittlung. Wir
legen eine Pause ein. Treffen andere Leute. Erkunden unsere
Möglichkeiten.
    Gretchen Lowell. Beauty Killer. Die Königin des Bösen. Susan
hatte sie nur einmal getroffen. Blond. Eine Haut wie Porzellan. Sie war
in natura sogar noch schöner als auf all den Bildern.
    Susan war sechzehn gewesen, als man das erste Opfer der
schönen Mörderin fand, und etwa so alt fühlte sie sich immer noch, wenn
sie an Gretchen Lowell dachte.
    Damals waren fast täglich Zeitungsartikel erschienen, die
meisten von Quentin Parker geschrieben, und so war Susan auch auf
Archie Sheridan aufmerksam geworden: durch ein Zeitungsfoto von einer
Pressekonferenz oder wenn er vor einer neuen Leiche stand.
    »Ich habe sie nicht mehr gesehen«, sagte Archie. »Seit dem
Fall des Heimweg-Würgers.«
    Susan lief unwillkürlich ein Schauder über den Rücken. Sie
wechselte das Thema. »Ich höre, Sie sind wieder mit Ihrer Familie
zusammen«, sagte sie.
    Archie lächelte und zupfte an seinem Hosenbein. »Wir arbeiten
daran«, sagte er. Seine Stimme klang weicher.
    Susan lächelte ebenfalls. »Das ist gut. Das ist wirklich gut.«
    Sie saßen eine Weile in peinlichem Schweigen da. So empfand es
zumindest Susan. Archie schien kein Problem damit zu haben. Sie
hingegen mochte Schweigen nicht. Sie hatte dann immer das Gefühl, als
könnte sie jeden Moment mit etwas herausplatzen, das sie später
bereute. Oder zu weinen anfangen. Und genau das passierte.
    »O Gott«, sagte sie, wischte sich eine Träne von der Wange und
betrachtete sie so entsetzt, als wäre es Blut.
    Archie legte seine Hand auf ihre. Er sagte nichts. Er wartete
einfach, während sie weinte.
    »Ich habe manchmal Angst, wenn ich allein bin«, sagte sie
schniefend. Sie wühlte in ihrer Handtasche nach einem alten Papiertuch
und schnäuzte sich die Nase. »Ist das nicht armselig?«
    Archie war vollkommen still. Er drückte ihre Hand. »Überhaupt
nicht«, sagte er schließlich leise.
    Susan schloss die Augen. Manchmal wünschte sie, sie könnte
drei Monate zurückgehen, in die Zeit vor dem Fall, der sie
zusammengeführt hatte. Und dann dachte sie an Archie, und was er alles
durchgemacht hatte, und sie kam sich wie ein Trottel vor.
    »Es tut mir leid«, sagte sie. »Die Sache mit Parker löst
Selbstmitleid bei mir aus.«
    »Es ist in Ordnung, Angst zu haben, Susan«, sagte Archie. »Das
wird wieder. Nichts ist armselig an Ihnen.«
    Sie lächelte ihn an und nickte ein paarmal. Er nannte sie
immer ›Susan‹. Nie ›Sue‹ oder ›Suzy‹. Das gefiel ihr an ihm.
    »Finden Sie das Türkis wirklich in Ordnung?«, fragte sie.
    Sie sah, wie Archie ihr Haar beäugte und seine Worte mit
Bedacht wählte. »Es gefällt mir, dass Sie den Mumm haben, es zu tun«,
sagte er.
    Sie wischte sich mit Hand und Unterarm über Wangen und Nase
und machte Anstalten auszusteigen.
    Archie hielt sie auf, indem er ihr die Hand auf den Arm legte.
»Ich brauche vielleicht Ihre Hilfe«, sagte er. »Wir müssen eine Leiche
identifizieren. Kann sein, dass ich Sie um einen Gefallen bitten muss.
Damit ich ein wenig Berichterstattung kriege. Ich fürchte, die Sache
geht in dem ganzen Durcheinander sonst unter.«
    »Das Mädchen im Park?«, fragte Susan.
    Archie zog überrascht eine Augenbraue hoch. »Ja.«
    »Sagen Sie Bescheid, was Sie brauchen«, sagte Susan. »Ich
werde tun, was ich kann.«
    Im Weggehen überlegte sie kurz, ob Archie ein bisschen mit ihr
gespielt hatte, weil er ihre Hilfe brauchte, und ob sie vielleicht ein
klein wenig manipuliert wurde. Doch dann schob sie den Gedanken
beiseite. So berechnend war Archie nicht.

_6_
    H enry wuchtete seine massige Gestalt auf den
Fahrersitz und ließ den Wagen an. »Hast du sie dazu gebracht, dass sie
über den Park schreibt?«, fragte er und beobachtete im Rückspiegel, wie
Susan zu der versammelten Reporterschar zurückging.
    »Ja«, sagte Archie. Es war leicht gewesen. Er hatte ein
bisschen ein schlechtes Gefühl deswegen. Aber er hatte ein noch
schlechteres wegen ihrer unbekannten Toten. Das war

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