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Grazie

Grazie

Titel: Grazie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chelsea Cain
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etwas, was ihm
Debbie immer vorwarf – dass er sich den Toten verbundener
fühlte als den Lebenden.
    Archie zog den Sicherheitsgurt über seine Brust und hakte ihn
ein.
    »Keine Fragen?«, wollte Henry wissen. »Sie hat einfach Ja
gesagt?« Er drehte sich im Sitz herum, um noch einen Blick auf Susan zu
werfen, die leicht auszumachen war mit ihrem türkisfarbenen
Streichholzkopf. »Was hast du gemacht? Sie hypnotisiert?«
    Es war heiß im Wagen, und Archie fummelte an der Klimaanlage
herum. »Hast du mal was davon gehört, dass der Senator die Babysitterin
seiner Kinder gevögelt hat?«, fragte er.
    »Ich hab etwas in dieser Richtung gehört, ja«, erwiderte
Henry. »Ich wusste allerdings nicht, dass es die Babysitterin war.«
    Archie zuckte zusammen. Die Klimaanlage sprang an, und
irgendein Partikel im Gebläse ratterte und schlug. »Hast du je dran
gedacht, in der Sache zu ermitteln?«, fragte Archie. Er schlug mit dem
Handballen auf das Armaturenbrett neben der Klimaanlage, und das
Rattern hörte auf.
    »Ich dachte, sie war sechzehn«, sagte Henry. Er legte einen
Arm hinter Archies Sitz und begann rückwärts zu rangieren.
    Das war die Altersgrenze für Missbrauch Minderjähriger. Von
sechzehn aufwärts konnte es einvernehmlicher Sex sein, darunter nicht.
Es war eins dieser Gesetze, die stark von den Umständen abhingen.
    »Vierzehn«, sagte Archie. Die Umstände gaben in diesem Fall
nicht viel Entschuldigung her. »Lodge war zu diesem Zeitpunkt
zweiundfünfzig. Susan hat mir erzählt, der Herald plane
eine Enthüllungsgeschichte«, fügte er an. »Sie haben ein
Exklusivinterview mit der Frau.«
    »Straftat ist es keine mehr«, sagte Henry. Er hatte den Blick
immer noch nach hinten gerichtet und wendete perfekt. Henry besaß
Führerscheine aus siebzehn Bundesstaaten. Er war jedes Jahr umgezogen,
ehe er Polizist wurde. Einfach, um mehr zu sehen, hatte er Archie
einmal erzählt, als sie betrunken waren. Archie hatte nie woanders als
in Oregon gelebt. Andererseits hatte er auch nur eine Exfrau. Henry
hatte fünf.
    »Die Verjährungsfrist damals betrug drei Jahre«, fuhr Henry
fort. »Man konnte sie auf sechs strecken, wenn dein Opfer besonders
anbetungswürdig war.« Ein gelangweilt dreinblickender uniformierter
Beamter hob das gelbe Band an, um sie aus dem abgesperrten Bereich der
Brücke fahren zu lassen. »Jetzt sind es sechs Jahre, nachdem es das
Kind jemandem erzählt oder achtzehn wird, je nachdem, was eher
passiert.«
    Auf dem Armaturenbrett stand ein Kaffeebecher aus Stahl, der
zu rutschen begann, als Henry Gas gab. Archie griff danach und trank
einen Schluck von dem lauwarmen Kaffee. Lodge war Jurist. Er hatte
wahrscheinlich die Champagnerkorken knallen lassen an dem Tag, an dem
die drei Jahre vorbei gewesen waren. »Justitia scheint nicht Lodges
Hauptsorge zu sein«, sagte Archie. Die Klimaanlage begann wieder zu
rattern, und Archie schlug erneut gegen das Armaturenbrett. Das Rattern
hörte auf.
    »Ja«, sagte Henry und lachte höhnisch. »Das weiß ich noch aus
meiner Zeit in Washington, D.C. Die Schande und die schlechte Presse,
das ist es, was diese Arschlöcher wirklich fürchten.«
    »Mit Arschlöcher meinst du Politiker?«, fragte Archie und
trank noch einen Schluck lauwarmen Kaffee.
    »Ja«, sagte Henry.
    »Und was hast du in Washington getan?«
    »Für eins von den Arschlöchern gearbeitet«, sagte Henry. Er
strich seinen Salz-und-Pfeffer-Bart glatt. »Hab mir die Koteletten
rasiert und alles. Dann hab ich die Rechnungen gesehen, die von den
Baufirmen bei öffentlichen Bauten eingereicht wurden. Zehntausend Mäuse
pro Urinal.« Er schüttelte den Kopf, als er daran dachte. »Das war,
nachdem ich als High-School-Lehrer aufgehört habe und bevor ich
Buschpilot wurde.«
    »Und wann war der Motorradtrip durch Südamerika?«, fragte
Archie.
    »Nachdem ich aus Alaska weg bin«, sagte Henry. »Char und ich
hatten uns gerade getrennt. Ich hab einen Monat bei einem
Eingeborenenstamm verbracht, als mein Motorrad in den Bergen
kaputtging. Da gab es diese Blätter … wenn man eins kaute, sah
man ein Bild seiner Zukunft.«
    »Was hast du gesehen?«
    »Ein weißes Pferd, ein Kind, das einen Vogel in der Hand
hielt, und eine großbusige Frau mit einem Schwert.«
    Archie blinzelte ein paarmal in Henrys Richtung. »Und da
dachtest du natürlich: ›Ich werde Polizist‹.«
    Henry lächelte breit, sein Schnauzer bog sich an den Enden
aufwärts. »Ich fand, es war ein eindeutiges Omen.«
    Archie schüttelte nur den

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