Grazie
die
Schreibtischschublade mit einem Schlüssel von seinem Ring auf und legte
die Kugeln in ein Fach. Dann sperrte er eine andere Schublade auf,
legte die Pistole und das Holster hinein und schloss sie ab. Das war
ihre Vereinbarung gewesen, als Ben zur Welt kam. Keine geladenen Waffen
im Haus. Selbst Henry musste seine Waffe wegsperren, wenn er zum
Abendessen kam.
Aus dem Augenwinkel sah er ein kleines Gesicht in der Tür. Als
er sich umdrehte, war es verschwunden.
»Sara?«, fragte er.
Sie steckte den Kopf wieder zur Tür herein. »Sie backen mir
einen Kuchen für meinen Geburtstag. Ich darf nicht gucken.« Sie
lächelte und klatschte in die Hände. »Für morgen«, sagte sie. Sie
drehte sich eine Weile tanzend auf der Stelle, dann rannte sie zu
Archie, dass die schwarzen Zöpfe flogen. Sara rannte immer. Sie legte
ihre rundliche Hand auf Archies. »War es heute lustig bei dir?«, fragte
sie.
Archie zögerte und gab sich Mühe, damit sein Gesicht nicht
seinen Gemütszustand verriet. »Ich war in der Arbeit. Arbeit ist nicht
immer lustig.«
Sara sah zu ihm hinauf, ihre Augen strahlten, ihre Wangen
glühten. »Wenn ich sieben bin, darf ich sie dann treffen?«
»Wen?«, fragte Archie.
»Gretchen Lowell.«
Es verschlug ihm den Atem. Wie ein Faustschlag vor die Brust.
Seine Hand ging reflexartig zu der Narbe, wie man vielleicht eine alte
Verletzung automatisch vor einem Hieb schützt. Er konnte kaum sprechen.
»Wo hast du diesen Namen gehört, Schätzchen?«, fragte er schließlich.
Sara spürte sein Unbehagen und machte einen winzigen Schritt
rückwärts. »Jacob Firebaugh hat Ben ein Buch über dich gegeben.«
Archies Herz hämmerte in der Brust. »Was für ein Buch?« Er
wusste, welches Buch. Das letzte Opfer. Es war ein
billiges Machwerk über Gretchens Eskapaden und Archies Leiden in ihren
Händen. Er wusste, dass sie es früher oder später zu Gesicht bekommen
würden. Aber er hatte gedacht, er hätte noch Zeit.
»Ich weiß nicht«, sagte sie.
»War auf dem Einband ein Foto von einer Frau?«, fragte er.
Sie lächelte zu ihm empor, zwei Reihen winziger Zähne. »Ich
möchte sie kennenlernen. Ich mag sie.«
Archie dachte, dass es das Traurigste war, was er in seinem
ganzen Leben gehört hatte. »Sag das nicht«, flüsterte er kaum
vernehmbar.
»Du magst sie auch, Daddy, oder?«, sagte Sara. »Du bist immer
zu ihr gefahren und hast sie besucht. Ben hat Mom und Henry darüber
reden hören.«
Archie fuhr sich mit der Hand übers Gesicht und bemühte sich,
weiterzuatmen. »Weißt du, wo Ben das Buch aufbewahrt?«
Sie schaute in Richtung Flur und flüsterte dann: »Er versteckt
es.«
Er blieb einen Moment regungslos sitzen und sammelte sich.
Dann legte er ihr die Hand hinter den Kopf und küsste sie auf die
Stirn. »Okay«, sagte er. Er streckte ihr die Hand hin, und sie wickelte
ihre Finger um seinen Zeigefinger. »Gehen wir.«
Er führte sie in den Flur hinaus, in Richtung Küche.
Sie blieb mit sorgenvoller Miene stehen. »Ich darf da nicht
rein, Daddy. Meine Überraschung.«
Archie blickte zur Küche. Die Musik. Der Kuchen. »Natürlich«,
sagte er. »Geh in dein Zimmer, okay?«
Sie nickte, machte kehrt und rannte zu ihrem Zimmer; hinter
der Tür blieb sie stehen und spähte zu ihm zurück.
Archie ging in die Küche. Sie machten gerade die Glasur auf
den Kuchen. Ben kniete auf einem Hocker an der Kücheninsel. Debbie
stand. Sie trug eine weiße Schürze über dem schwarzen T-Shirt und der
Jeans, hatte es aber fertiggebracht, überallhin Glasur zu bekommen,
selbst ins Haar. Sie blickte auf, als Archie hereinkam, und lächelte.
»Du kommst gerade rechtzeitig für die Marzipanblumen«, sagte sie.
Archie ging zu der weißen Stereoanlage unter dem
Hängeschränkchen neben dem Kühlschrank und schaltete sie aus.
»Er hat das Buch«, sagte er ausdruckslos.
Der Kuchen stand auf einem Drehteller, den Debbie rotieren
ließ, während sie das Glasurmesser ruhig darüber hielt. »Welches Buch?«
Archie machte einen Schritt vorwärts, die Hände in den
Taschen. »Das Buch. Jacob Firebaugh hat ihm ein Exemplar gegeben.«
Archie wusste nicht einmal, wer Jacob Firebaugh war.
Ben fuhr mit dem Zeigefinger über den Rand der gläsernen
Glasurschüssel. »Er sagt, du bist berühmt.«
»Ich will nicht, dass du diesen Scheißdreck liest«, fuhr ihn
Archie an.
Debbie nahm das Messer vom Kuchen. »Archie«, warnte sie mit
leiser Stimme.
Archie zog die Hände aus den Taschen und fuhr sich durchs
Haar. »Es ist
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