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Grazie

Grazie

Titel: Grazie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chelsea Cain
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Notaufnahme.«
    Archie nickte.
    »Ich kann Ihnen keine Medikamente verschreiben, die Sie
umbringen«, sagte Fergus und klopfte auf eine Ader in Archies Arm. »Ich
stelle Ihnen noch ein paar Rezepte aus, damit Sie nicht auf einen
kalten Entzug kommen. Und ich kann Ihnen ein paar Therapieeinrichtungen
nennen.« Er nahm eine Spritze aus seiner Tasche, ließ den Gummistöpsel
von der Spitze springen und schob sie in Archies Arm.
    Archie sah zu, wie sein Blut die Spritze füllte. Er hatte in
den letzten Jahren mehr Blut gesehen, als er je für möglich gehalten
hätte. »Ich will nicht, dass jemand von dieser Sache erfährt.«
    Fergus zog die Spritze heraus und drückte einen
Zellstofftupfer auf die blutende Einstichstelle. »Sie werden jemanden
brauchen, der sich um Sie kümmert«, sagte er.
    Archie gestattete sich ein gequältes Lächeln, aber bis Fergus
aufblickte, war es bereits vergangen. »Ich habe schon jemanden im
Sinn«, sagte er. Im Grunde war er erleichtert. Denn wenn er sterben
würde, hatte er nichts zu verlieren. Wenn er sterben würde, konnte er
sie erwischen.

_35_
    S usan stand am Ende des Flurs und
beobachtete eine Biene, die gegen ein zur Straße hinausgehendes Fenster
flog. Draußen sah sie Leute Waren vom Markt nach Hause tragen, Hunde
spazieren führen, Rad fahren, auf der Suche nach Parkplätzen kreisen.
Die Biene klatschte wieder gegen die Scheibe. Der dürre Polizist mit
den großen Ohren vom Abend zuvor saß unter dem Gemälde eines hässlichen
alten Mannes in einem Sessel. Er blickte auf und lächelte. »Das macht
sie seit einer Stunde«, sagte er. »Die Biene. Es ist ein altes
Fenster.« Er kratzte sich an einem seiner großen Ohren. »Bienen
orientieren sich an UV-Strahlen. Neue Fenster haben UV-Schutz. Aber bei
alten geht die UV-Strahlung einfach durchs Glas. Deshalb sieht die
Biene es nicht.«
    Susan streckte die Hand aus. »Susan«, sagte sie.
    »Todd Bennett«, sagte der Polizist. »Sie können mich Bennett
nennen«, fügte er an. »Alle tun es.«
    »Sie wissen eine Menge über Bienen, Bennett«, sagte Susan und
klappte ihr Handy auf.
    »Ich weiß eine Menge über Fenster«, sagte Bennett.
    Susan war nicht in der Stimmung, über Glas zu reden oder über
Bienen. Sie war nicht einmal in der Stimmung, über feministische
Liedermacherinnen und Punkvorreiterinnen der Siebzigerjahre zu
sprechen, und das war sie sonst fast immer.
    Sie wählte eine Nummer beim Herald.
    Ian nahm das Telefon an seinem Schreibtisch ab.
»Featureredaktion«, sagte er. Beim Klang seiner Stimme bekam Susan eine
Gänsehaut. Sie konnte ihn nachgerade schmecken, seine Haut, seine
Seife. Schlaf nicht mit Leuten, mit denen du arbeitest, hatte ihre
Mutter ihr geraten. Tatsächlich hatte sie gesagt: »Scheiß nicht
dorthin, wo du schläfst«, aber Susan hatte gewusst, was sie meinte.
    Susan versuchte, sich diesbezüglich zu bessern. Es war einer
der Gründe, warum sie die Sache mit Derek abgebrochen hatte.
    Susan drehte sich von Bennett fort und sprach leise. »Ian«,
sagte sie, »wann bringst du die Geschichte über Lodge und Molly Parker?«
    Ian zögerte. »Wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist.«
    Die Biene klatschte abermals gegen die Fensterscheibe. »So?«
    »Die Menschen trauern immer noch«, sagte Ian.
    Susan hätte lachen mögen oder ihm vielleicht den Handballen in
den Schwertfortsatz seines Brustbeins rammen und diesen in sein Herz
treiben. »Du Scheißkerl«, sagte sie. »Du wirst sie überhaupt nicht
bringen, oder?«
    Seine Stimme wurde sanfter. »Hab Geduld, Baby.«
    »Nenn mich nicht Baby«, zischte sie. Die Biene bereitete sich
auf einen neuen Ausbruchsversuch vor. Sie schwirrte mit den Flügeln.
»Ich biete sie woanders an. Irgendwer wird sie bringen.«
    »Du hast einen Vertrag mit uns«, sagte Ian. »Wenn du ihn
brichst, bist du deinen Job los. Wir sind die einzige Tageszeitung in
der Stadt.« Er lachte, und Susan beschloss, dass sie ihn vielleicht
lieber blenden sollte, damit er bis ans Ende seiner Tage bereuen
konnte, ihr in die Quere gekommen zu sein. »Für wen willst du
arbeiten?«, fuhr Ian fröhlich fort. »Für ein Anzeigenblatt?«
    »Du lässt also zu, dass sie die Story killen? Einfach so?«
    »Er ist tot. Welche Rolle spielt es noch? Du bist brillant.
Die Lodge-Geschichte ist vorbei. Alle wollen jetzt Gretchen Lowell. Und
du bist mittendrin.«
    »Ich sitze in dem verdammten Arlington fest«, sagte Susan
lauter als sie beabsichtigt hatte. Die Biene klatschte erneut gegen das
Fenster. »Gib es

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