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Grazie

Grazie

Titel: Grazie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chelsea Cain
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Portlands Innenstadt.
Angeblich hatte Simon Benson, ein Holzbaron der Jahrhundertwende, die
Brunnen bauen lassen, um seine Arbeiter davon abzuhalten, mitten am Tag
Bier zu trinken. Susan wusste nicht, ob sein Plan funktioniert hatte,
aber hundert Jahre später sah man überall im Park Warnschilder, dass
der Genuss von Alkohol verboten war.
    Susan aschte auf einen achteckigen Pflasterstein unter ihren
Füßen. Sie rauchte American Spirits. Molly war tot. Und Susan rauchte.
Sie musste zu Molly Palmer zurückkehren. Der Blog konnte warten. Ein
Buch über Gretchen Lowell konnte warten. Sie durfte sich nicht
verzetteln. Sie musste den Herald irgendwie dazu
bringen, den Molly-Palmer-Artikel zu veröffentlichen. Sie war zunehmend
überzeugt davon, dass Molly nicht an einer versehentlichen Überdosis
gestorben war. Sie musste herausfinden, wer sie getötet hatte. Und sie
musste herausfinden, wer die ganze Sache zu vertuschen versuchte.
    Sie war sich ziemlich sicher, dass das eine zum anderen führen
würde.
    Ein zotteliger Obdachloser kam und setzte sich mit einem
Packen Zeitungen neben ihr auf die Bank. Er stank nach Schmutz und
altem Schweiß, aber Susan nahm sich fest vor, nicht darauf zu
reagieren. Er ließ die Zeitungen zwischen sie beide auf die Bank
fallen, schnupperte in die Luft und verzog das Gesicht.
    »Kann ich Sie um was bitten«, wandte er sich an Susan.
    »Was?«, sagte sie.
    »Machen Sie die Zigarette aus.«

_40_
    D er Biber war einen Meter lang und stand
ausgestopft auf den Hinterbeinen, den Schwanz breit und flach auf den
Teppichboden gedrückt, den Kopf gedreht, als hätte er aus dem
Augenwinkel gerade eine Gefahr erspäht. Er war seit etwa hundert Jahren
tot, und sein Fell verlor Haare, aber der Funke Angst in seinen
schwarzen Glasaugen ließ ihn beinahe lebendig aussehen. Archie konnte
mit ihm fühlen.
    Der Biber stand neben dem Pult des Oberkellners im Arlington
Club Restaurant. Der Oberkellner tat Archie leid, denn das Restaurant
war nur für Mitglieder und ihre Gäste, und Archie hatte nie mehr als
sieben Personen gleichzeitig in ihm gesehen. Der Oberkellner verbrachte
seine Zeit hauptsächlich damit, in dem ledergebundenen
Reservierungsbuch zu blättern, und wenn er das nicht tat, klaubte er
die winzigen Federn auf, die dem ausgestopften Fasan auf dem Kaminsims
ausfielen und auf den Teppich segelten.
    Debbie sah zu dem Hirschkopf hinauf, der über der Tür zum
Speisesaal hing. »Ich finde es unheimlich hier«, sagte sie. Nur ein
weiterer Tisch war mit Gästen besetzt, und das Klappern ihres Bestecks
trug weiter als ihre Stimmen.
    »Es wird nicht mehr lange dauern«, sagte Henry. »Noch ein paar
Tage.«
    Debbie sah Archie an, als erwartete sie eine Art Bestätigung,
ein Nicken, irgendetwas. Sie hatten nicht über die vorangegangene Nacht
gesprochen. Was sollte er auch sagen? Tut mir leid?
    Archie blickte auf seinen Teller.
    Nach dem Besuch bei Rosenberg hatte er den halben Tag in den
Büros der Soko verbracht, um bei der Koordination der Großfahndung
mitzuhelfen, und den Rest des Tages im Arlington, wo er versucht hatte,
für seine Kinder einen normalen Eindruck zu machen. Claire war jetzt
oben bei ihnen, damit Archie und Debbie ein wenig Zeit für sich hatten.
Aber selbst das ging nicht ohne Henry.
    Das Essen war in Ordnung. Archie aß noch einen Bissen Lachs
mit Korianderpesto und wich weiter Debbies Blick aus. Lachs war so
ziemlich alles, was es gab. Lachstörtchen. Lachssalat. Lachsfilet.
Lachssteak. Es war Copper-River-Saison, und Scharen von Anglern
strömten hinauf zur Mündung des dreihundert Meilen langen, wilden
Copper Rivers in Alaska, um den Fisch zu fangen, der zum Laichen
stromaufwärts wanderte. Zu diesem Zeitpunkt strotzten die Fische vor
Fett. Je später auf ihrer Reise man sie fing, desto ramponierter und
geschmackloser wurden sie.
    Archies Magen rumorte und zog sich in Krämpfen zusammen. Er
hatte den Tablettenkonsum schon einmal eingeschränkt und wusste, wie
der Entzug begann. Er legte seine silberne Gabel und die weiße
Stoffserviette beiseite, schob den Stuhl zurück und stand auf. »Ich
gehe zur Toilette«, sagte er.
    Henry stand ebenfalls auf, in der Absicht, ihn zu begleiten.
    Sie waren zu sehr um ihn besorgt und kümmerten sich nicht
genügend darum, Gretchen zu fangen. Wenn es nach Archie gegangen wäre,
hätte er die Armee zu Hilfe gerufen. Aber es ging nicht nach Archie.
    Er seufzte. »Willst du mir beim Scheißen zusehen?«, fragte er.
    Henry schaute sich in dem leeren

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