Grazie
Welt‹.
Archie trank einen Schluck Kaffee aus seinem eigenen
Pappbecher. Henry saß vor der Tür von Rosenbergs Arbeitszimmer. Zwei
Streifenwagen parkten vor dem Haus. Ein Beamter hatte auf der Veranda
Position bezogen. »Das ist für den Fall, dass Sie mich zu ermorden
versuchen«, sagte er. Die grünen Samtvorhänge waren zugezogen. Er
konnte die Kirschbäume nicht sehen.
Rosenberg legte besorgt die Stirn in Falten. »Geht es Ihnen
gut?«
Es ließ sich nicht vertuschen. Er hatte sich selbst heute
Morgen im Spiegel gesehen. Seine Haut sah aus wie Paraffinwachs. Er
hatte dunkle Augenringe. Seine Hände zitterten. »Nein«, sagte Archie.
»Wie geht es Ihrer Familie?«, fragte Rosenberg.
Archie schaute auf die Standuhr. Immer noch halb vier. Eines
Tages würde er selbst für ihre Reparatur sorgen.
»Einfach prächtig«, sagte er.
Rosenberg war einen Moment still. Sie nahm die Tasse mit dem
Herz zur Hand, trank einen Schluck und stellte sie wieder ab. Tee,
erkannte Archie am Geruch. Kein Kaffee. »Ich habe gelesen, was in der
Schule passiert ist«, sagte Rosenberg. »Das war sicher nicht leicht für
Sie.«
Er wollte nicht glauben, dass Gretchen seine Kinder töten
würde. Terrorisieren, ja. Aber wäre sie fähig, tatsächlich Archies
eigen Fleisch und Blut zu töten? »Sie hat einmal einen kleinen Jungen
getötet«, sagte Archie leise. »Es war bemerkenswert, weil sie nur ein
paar Kinder getötet hat.« Wem wollte er etwas vormachen? »Zumindest
soweit wir wissen.« Er stützte den Ellenbogen auf die Sessellehne und
legte das Kinn in die Hand. Rosenberg saß mit durchgedrücktem Rücken da
und beobachtete ihn. »Zehn Jahre alt«, fuhr Archie fort. »Er verschwand
auf dem Heimweg von einem Park in der Nähe seines Elternhauses, in dem
er gespielt hatte. Sie ließ ihn Abflussreiniger trinken, und dann
schälte sie ihm die Haut mit einem Skalpell ab.« Das war im Staat
Washington gewesen. Er war zur Autopsie hinaufgefahren. »Anschließend
hat sie seine Leiche an Händen und Füßen gefesselt im Garten der
Familie abgelegt, wo seine Mutter ihn fand.«
Rosenberg veränderte ihre Stellung nicht. »Sie haben eine
Menge Gewalt gesehen«, sagte sie nur.
Archie trank einen Schluck Kaffee. Es hatte nach seinen zehn
Tagen bei Gretchen lange gedauert, bis er etwas schlucken konnte, ohne
dass es in seiner verätzten Speiseröhre brannte. »Es ist schwer,
Abflussreiniger zu trinken«, sagte er. »Man würgt unweigerlich viel
davon wieder hoch. Für die Menge, die in seinem Körper war, musste sie
es ihm gewaltsam eingeflößt haben.« Archie holte die Pillendose heraus.
Er versuchte nicht einmal, es zu verbergen. Er öffnete sie und
schüttelte einige Tabletten in seine Hand. »Ich hatte Glück«, sagte er
und steckte die Tabletten in den Mund. »Sie hat mir jedes Mal nur ein
paar Teelöffel eingeflößt.«
»Sie hatten kein Glück, Archie«, sagte Rosenberg. »Und Sie
haben nichts getan, womit Sie sich das verdient hätten.«
Das war allerdings genau der Punkt. Er hatte doch.
»Ich muss sie fangen«, sagte Archie. Er konnte seine Familie
nicht glücklich machen, aber er konnte dafür sorgen, dass sie in
Sicherheit war.
»Wie?«, fragte Rosenberg.
Archie lächelte, weil ihm der Schriftzug über dem Eingang von
Ben und Saras Schule einfiel. »Bei der Bildung geht es nicht darum,
einen Kübel zu füllen, sondern darum, ein Feuer zu entfachen«, sagte er.
Rosenberg erwiderte nichts.
»Yeats«, erklärte Archie.
»Ich weiß, von wem es ist«, sagte Rosenberg. »Ich bin mir nur
nicht sicher, was es im Zusammenhang mit meiner Frage bedeutet.«
»Sie wird weitertöten«, erläuterte Archie. Sein Plan erschien
ihm immer einleuchtender, und er war zunehmend überzeugt davon, dass es
nicht verrückt war. »Sie kann nicht anders. Sie verbrennt alles, was
sie berührt. Wie löscht man ein Feuer? Man gibt ihm Nahrung und lässt
es sich selbst verzehren.«
»Oder man rennt so schnell man kann und ruft die Feuerwehr«,
sagte Rosenberg.
»Oder das«, stimmte Archie zu.
_39_
D ebbie Sheridan kam in einem weißen
Frotteebademantel an die Tür. Die Worte ›Arlington Club‹ waren mit
Goldfaden über die Brust gestickt. In Susans Zimmer hatte es keinen
Bademantel gegeben. Nicht einmal ein Shampoo.
»Archie ist nicht da«, sagte Debbie.
Susan reckte den Hals und versuchte, an Debbie vorbei zu
entdecken, ob der Karton, den sie Archie gegeben hatte, noch dort
stand, wo sie ihn abgestellt hatte. Sie konnte die Stimmen der
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