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Grazie

Grazie

Titel: Grazie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chelsea Cain
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Restaurant um. Die Tür zur
Toilette war am anderen Ende des Raums zu sehen. Er zuckte die Achseln
und setzte sich wieder.
    »Danke«, sagte Archie.
    Die Männertoilette hatte Kabinen mit abschließbaren Türen.
Klasse. Als er fertig war, wusch er sich die Hände. Die Flüssigseife
roch nach Flieder. Aber vielleicht bildete er es sich nur ein. Er war
völlig erschöpft durch den Schlafmangel. Seine Augen sahen im Spiegel
des Waschraums gelb aus. Er trocknete sich die Hände an einem richtigen
Handtuch ab und warf es in einen Basteimer unter dem Marmortisch.
    Der Junge wartete vor der Tür auf ihn. Er war kein richtiger
Junge mehr, er sah aus wie zwanzig. Archie bemerkte das Loch in seiner
Lippe, wo er ein Piercing trug, wenn er nicht arbeitete. Sein weißes
Hilfskellnerjackett war gestärkt, und Archie fing einen Hauch frischen
Zigarettenrauchs auf.
    Der Junge sprach aus dem Mundwinkel, als würde er ein
Geheimnis verraten. »Ihre Freundin sucht Sie«, sagte er. »Sie sagte,
ich soll warten, bis Sie allein sind, um es Ihnen zu sagen.«
    Der Junge hatte ein neues Piercing oben im Ohr, im Knorpel. Es
war nur ein kleiner Silberstift, kaum zu sehen unter dem Haar und so
winzig, dass er der Restaurantleitung wahrscheinlich nicht aufgefallen
war. Archie hätte es ebenfalls nicht bemerkt, wenn nicht eine dünne
Blutspur an der äußeren Falte seines linken Ohrs hinuntergelaufen wäre.
    Solche Piercings brauchten lange, bis sie heilten.
    »Wo ist sie?«, fragte Archie.
    »In ihrem Wagen, in der Gasse.« Der Junge gestikulierte in
Richtung einer Schwingtür aus Stahl, als wäre es nichts, als würde er
den Weg zum Einkaufszentrum erklären. »Da hinten raus. Durch die Küche.«
    Archie erkannte nun an dem verschwörerischen Funkeln im Auge
des Jungen, dass er Gretchen für seine Geliebte hielt.
    »Du blutest«, sagte Archie.
    Der Junge runzelte die Stirn, langte sich ans linke Ohr und
zuckte zusammen. Er ließ die Hand sinken und betrachtete das Blut an
seinen Fingerspitzen. »Igitt«, sagte er.
    »Hast du heute Nacht noch irgendwelche Pläne?«, fragte Archie
und dachte an die stundenlange Vernehmung durch Henry, die dem Jungen
bevorstand.
    »Nein«, sagte der Junge.
    Archie ging in Richtung der Tür, die zur Küche führte, fort
von Henry, fort von Debbie, fort von allem. »Gut.«

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    D er letzte Mensch, den Archie auf der Gasse
erwartet hätte, war Susan Ward. Sie stand neben einer grünen
Abfalltonne, und als sie Archie erblickte, nahm sie hastig die
Zigarette aus dem Mund und sagte Hallo, als wäre sie nicht im
Geringsten überrascht, ihn zu sehen. Für einen Moment war Archie
verwirrt. Dann schaute er an Susan vorbei weiter in die Gasse, wo die
Bremslichter eines silbernen Jaguars in der Dämmerung warteten wie
schläfrige, unheilvolle Augen.
    »Alles in Ordnung mit Ihnen?«, fragte er Susan.
    Susan klopfte die Asche ihrer Zigarette in eine Dose von
Gastronomiegröße, die einst geschälte Tomaten enthalten hatte, aber nun
die Asche von tausend Zigarettenpausen enthielt. »Ja. Das hier ist der
einzige Fleck, wo ich rauchen darf.« Sie gestikulierte in Richtung
Mülltonne, die nach verdorbenem Essen stank. »In der Gosse.«
    Es war reiner Zufall, dass Susan hier war. Schwindlig vor
Erleichterung strauchelte Archie und musste sich an der Mülltonne
festhalten, um nicht zu fallen.
    »Hoppla«, sagte Susan. »Zu viel getrunken?« Sie lächelte. Auf
ihren Zähnen klebte roter Lippenstift. Dann saugte sie sich die Lunge
ein weiteres Mal mit Tabakrauch voll. Überall auf dem Betonboden lagen
Zigarettenkippen herum. Zigarettenkippen waren ausgezeichnete
DNA-Quellen.
    »Geben Sie mir eine«, sagte Archie.
    Susan zögerte. »Im Ernst?«
    Archie streckte die Hand aus. Sie zitterte leicht, aber nicht
so sehr, dass es außer ihm jemand bemerkt hätte. Susan zog eine
Zigarette aus der gelben Packung und gab sie ihm.
    »Waren Sie mal Raucher?«, fragte sie.
    Archie nahm das schwarze Plastikfeuerzeug, zündete die
Zigarette an und inhalierte. Der Rauch brannte in seinen Lungen, aber
er hustete nicht. Er sah zu dem Jaguar hinüber, der noch immer im
Leerlauf wartete; sein Motor war fast lautlos. »Nein«, sagte er. »Ich
hab's ein paarmal versucht. Hat mir nie was gegeben. Ich erinnere mich
allerdings noch an das erste Mal. Das ist immer das, woran man sich
erinnert. Die erste Zigarette. Der erste Kuss. Die erste Leiche im
Park.«
    Susan zog eine Augenbraue hoch. »Okay.« Sie trug schwarze
Leggins, braune Stiefel, ein T-Shirt, das

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