Grazie
nicht«, sagte Bliss.
Susan hatte steife Glieder und fühlte sich angespannt und ein
bisschen kribblig. »Ich brauche eine Zigarette«, sagte sie. »Würdest du
Schwester Ratched ablenken?«
»Wen?«, fragte Bliss.
»Den Polizisten im Gang.«
»Und wie?«, fragte Bliss.
Susan zog ihr Sweatshirt an. »Rede mit ihm.«
Bliss legte das Gesicht in Falten. »Was soll ich sagen?«
Susan zuckte mit den Achseln. »Frag ihn über Fenster aus.«
Charlene Woods Stimme quasselte aus dem Fernseher, während auf
dem Schirm Bilder von Gretchen Lowells Opfern zu sehen waren.
»Bist du dir sicher, dass es nicht gefährlich für dich ist,
wenn du gehst?«, fragte Bliss.
Susan verstaute ihre Zigaretten und ein Feuerzeug in der
Tasche ihres Sweatshirts. »Horch gelegentlich nach draußen«, sagte sie
und streifte die Kapuze über. »Wenn mich Gretchen Lowell packen will,
schreie ich.«
Es war nicht einmal schwer. Bliss ging auf
den Flur und redete mit Bennett, und Susan konnte ohne Probleme die
Treppe hinunterschleichen. Bennett war zu sehr von Bliss in Anspruch
genommen, als dass er es bemerkt hätte. Vielleicht hatte er von der
Tätowierung gehört.
Susan war frei, und sie hatte nichts zu tun. Sie hatte ihre
Notizen nicht dabei. Ian wollte sie für den Blog im Arlington haben,
und solange die Lodge-Geschichte von ihm abhing, wollte sie ihn bei
Laune halten.
Susan zündete eine Zigarette an und inhalierte. Der erste Zug
war der beste. Ihr ganzer Körper entspannte sich ein wenig. Es war in
dieser Beziehung ein bisschen wie Sex – immer eine
Erleichterung. Sie versuchte sich einzureden, dass sie rauchte, weil
sie Raucherpausen mochte – diese erzwungenen kleinen
Zwischenspiele von Einsamkeit und Kontemplation –, aber die
Wahrheit war, sie mochte Nikotin.
Die kunstvoll verzierten Straßenlaternen der Innenstadt waren
eben angegangen, und ein paar Seemöwen, die von der Küste zugewandert
waren, kreischten im Park. Portland lag eine Stunde vom Pazifik
entfernt, und Susan wusste nicht, warum die Möwen so weit landeinwärts
kamen, aber sie waren immer da, tappten am Fluss herum, schissen auf
die Uferpromenade, streiften durch die Parks. Ein Jugendlicher voller
Tätowierungen und Piercings flog auf einem Skateboard vorbei, und die
Möwen beachteten ihn kaum.
Es war noch um die zwanzig Grad warm, viel für den Abend, und
das Wetter war schön. Der Nachthimmel des pazifischen Nordwestens war
eine Mischung aus Pastelltönen. In einigen Bürogebäuden der City
brannte Licht, Leute die spätabends noch arbeiteten, Reinigungskräfte
oder heimliche Büroaffären.
Susan nahm noch einen Zug von der Zigarette. Vielleicht irrte
sie sich. Vielleicht war der zweite Zug der beste.
Molly hatte Mentholzigaretten geraucht. Susan fragte sich, ob
ihre entfremdete Familie eine Begräbnisfeier für sie abhalten würde.
Falls ja, gelobte Susan für sich, dass sie ein Päckchen davon
mitbringen und in den Sarg legen würde.
»Sie dürfen hier nicht rauchen, Madam«, hörte sie jemanden
sagen. Als Susan aufblickte, sah sie den hageren Portier des Arlington
mit den Händen fuchtelnd auf sich zukommen.
Sie drehte sich um, um zu sehen, ob er jemanden hinter ihr
meinte. Susan stand immerhin im Freien. Auf einem öffentlichen
Gehsteig. Sie störte absolut niemanden. Und sie hatte ihm gesagt, er
solle sie nicht ›Madam‹ nennen.
Der Portier fuchtelte unentwegt weiter. »Madam?«, sagte er.
Susan zog wieder von ihrer Zigarette. »Wieso nicht?«, fragte
sie.
»Sie stören die Gäste«, sagte er, als wäre es sonnenklar.
Sie gestikulierte mit der Zigarette in Richtung der dunklen
Ziegelfassade des Gebäudes, des grünen Baldachins, des Parks und der
Autos in der Straße. »Ich bin im Freien.«
»Aber die Gäste müssen an Ihnen vorbeigehen«, sagte er. Er
öffnete die große Glastür, um es anschaulich zu machen. »Die Leute
kommen und gehen.«
Susan sah auf ihre Zigarette hinab. Sie musste die Asche
abklopfen, aber sie traute sich nicht, sie vor diesem Typ auf den
Gehsteig fallen zu lassen. Er würde sie wahrscheinlich zwingen, sie
aufzuheben. »Und wo soll ich hin?«
Er zeigte zum Park auf der anderen Straßenseite.
Susan gab nach, huschte über die Straße und suchte sich eine
Bank mit Blick auf den Arlington Club. In diesem Teil des Parks gab es
einen dekorativen öffentlichen Trinkbrunnen und eine niedere Betonwand
mit einem Porträt von Simon Benson darauf. Die Brunnen, im Volksmund
Benson Bubblers genannt, sah man überall in
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