Green, Simon R. - Todtsteltzers Erbe
hatte, aber sie trug immer noch den dort
üblichen schweren Tweedmantel. Ihre Paragon
rüstung hatte sie mit zusätzlichen Stahldornen und
Nieten aufgelockert, und an der linken Hand trug sie
einen Schlagring. Sogar im Bett. Grausam lautete
nicht nur ihr Name; so war sie auch. Ihre besten Jah
re hatte sie hinter sich, aber bislang hatte noch nie
mand den Mut oder den Todeswunsch aufgebracht,
es ihr zu sagen. Das Amt das Paragons hatte sie rela
tiv spät im Leben angetreten, und nach Finn diente
sie am längsten in dieser Funktion.
»Also, Lewis, was tust du hier?«, fragte sie rund
heraus. »Ist ja glatt. wie viel, vier Jahre her, seit wir
gemeinsam den Fall der Feuerjuwelen bearbeitet ha
ben, draußen an den Brennenden Fällen? Fünf Jahre?
Jesus, wo bleibt nur die Zeit? Jedenfalls hätte ich
nicht erwartet, dich hier zu sehen. Hätte nicht ge
dacht, dass du dich noch unter niederes Volk wie uns
mischen wolltest. Jetzt, wo du der Imperiale Cham
pion bist.«
Lewis zuckte unbehaglich die Achseln. »Im Her
zen bin ich immer noch Paragon.«
»Du bist der Champion!«, entgegnete Veronika
Mae heftig. »Der Leibwächter des Königs! Und viel
Glück dabei; ich habe schon immer gesagt, dass du
die bessere Wahl bist, verglichen mit dem Durandal.
Hab einmal mit ihm zusammengearbeitet. Nie wie
der! Humorloser Mistkerl. War total beleidigt, nur
weil ich ihm die Hand aufs Knie gelegt hatte! Hüb
sches Gesicht und echt netter Hintern, aber kein Feu
er mehr im Herd. Kümmert sich nur darum, für die
Medien gut auszusehen. Was machst du hier, Lewis?
Das ist eine Paragon-Kneipe.«
»Ich dachte, ich rede mal mit ein paar alten Freun
den«, sagte Lewis, um einen lockeren Tonfall be
müht. »Um mich ins Bild zu setzen, was so läuft. Du
weißt schon; mal rumhängen.«
Veronika Mae musterte ihn fast mitleidig. »Du bist
kein Paragon, und du bist kein Groupie. Was könn
test du hier sonst suchen, Lewis? Kehre an den Hof
zurück. Oder ins Parlament. Dort gehörst du jetzt
hin, Champion. Falls du mich bitte entschuldigen
würdest – die Jungs hier haben ernsthaft was zu trin
ken und zu feiern. Nicht unbedingt in dieser Reihen
folge. Stimmt’s nicht, Jungs?«
Die Jungs pflichteten ihr lautstark bei, und beinahe
brach eine Schlägerei über die Frage aus, wer an der
Reihe war, ihr die Zigarette anzuzünden. Lewis nick
te steif und entfernte sich vom Tresen. Er spazierte
durch die Menge und lächelte in bekannte Gesichter,
aber überall bekam er das Gleiche zu hören. Diese
Leute, die mal seine Freunde und Kollegen gewesen
waren, von denen viele an seiner Seite gekämpft hat
ten und verwundet worden waren, betrachteten ihn
nicht mehr als einen der ihren. Sie waren stets höf
lich, sogar freundlich, und einige der jüngeren Ge
sichter verrieten sogar ein wenig Ehrfurcht in Anbet
racht seiner ruhmvollen Karriere und seines legendä
ren Namens; aber mit kleinen und verräterischen
Gesten zeigte man ihm, dass er ein Außenseiter war,
nicht gänzlich willkommen. Er wäre weitergezogen,
deutete man an, und hätte dabei seine alten Freunde
zurückgelassen. Hier befand man sich in einer Para
gon-Kneipe … und hier war kein Platz mehr für ihn.
Alles war sehr höflich, aber dabei nicht weniger
deutlich. Niemand wandte ihm regelrecht den Rü
cken zu, aber sie hätten es genauso gut tun können.
Lewis fühlte sich ausgeschlossen. Isoliert und ein
sam, selbst mitten im Gedränge. Als er schließlich
aufgab und in aller Stille ging, bemerkte es nicht mal
jemand.
Er entdeckte eine andere Kneipe an einer anderen
Straße, die still und fast leer war, und zog sich mit
einer Flasche Wein in einen hinteren Winkel zurück,
um mal ernsthaft nachzudenken. Er hatte den Heili
gen Gral aufgesucht, weil er gehofft hatte, freundli
che Ratschläge zu bekommen, aber nicht zum ersten
Mal schien es, als müsste er seine Probleme auf ei
gene Faust lösen. Er konnte auch nicht mit Douglas
reden. Oder besser: er konnte es zwar, wollte aber
nicht. Von jeher war es ihm peinlich, über finanzielle
Fragen mit jemandem zu reden, der so reich war wie
Douglas Feldglöck. Und er konnte nicht mit Anne
reden, weil sie damit gleich zu Douglas gerannt wä
re. Lewis goss sich ein weiteres Glas Elfenschrot ein,
einem dermaßen güldenen Wein, dass er selbst im
düsteren Winkel fast leuchtete, und blickte mit fins
terer Miene hinein.
Du Bois hatte ihm das Unterhaltsgeld gestrichen.
Der Abgeordnete von Virimonde hatte ihm einen
knappen
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