Green, Simon R. - Todtsteltzers Erbe
Straßenräu
ber, sieben Taschendiebe und einen Exhibitionisten;
Letztgenannter hatte großes Glück, keinen Schuss an
eine recht unglückliche Körperstelle zu erhalten, als
Emma glaubte. er klappte seinen Mantel auf, um ihr
seine Waffe zu zeigen. Lewis entschied, dass er nicht
bleiben würde, während Emma sich mit den neuen
Nachbarn vertraut machte. Er glaubte nicht, dass sei
ne Nerven dem gewachsen waren. Nein, ein netter
ruhiger Spaziergang war jetzt genau das, was er
brauchte. Er musste über vieles nachdenken, über
seine diversen Probleme, und er konnte viel besser
denken, wenn sein Puls nicht alle zehn Minuten die
Skala nach oben sprengte. Also verabschiedete er
sich höflich von Emma, ertrug eine weitere Umar
mung, gab ihr seine private Komm-Nummer, nur für
den Fall, dass sie ihn in einem Notfall brauchte, und
ging dann so rasch, wie mit den Regeln der Höflich
keit vereinbar.
Er spazierte die nette Allee hinab und blickte dabei
gerade finster genug in die Weltgeschichte, damit
alle Passanten ihn strikt in Ruhe ließen. Er dachte
ernsthaft über das nach, was aus seinem Leben ge
worden war. Gern dachte er, dass er in seiner Zeit als
Paragon gute Arbeit geleistet hatte, aber damit hatte
er im Grunde nichts bewirkt. Wie es schien, lag das
jetzt hinter ihm. Sein Besuch im Heiligen Gral hatte
schmerzlich klar gemacht, dass seine Tage als Para
gon der Vergangenheit angehörten. Er war jetzt der
Champion, und es lag an ihm zu entscheiden, was
genau das bedeutete. Er wollte verdammt sein, falls
das nichts weiter war als die Stellung von Douglas’
Leibwächter, wie viel Ehre man dem auch immer
beimaß. Nur herumstehen, Däumchen drehen und
darauf warten, dass etwas passierte? Das war nichts
für Lewis. Er musste sich beschäftigen, etwas … tun.
Etwas Nützliches.
Er musste auf irgendeine Weise den Ausschlag
geben.
Er war so in die eigenen Gedanken versunken,
dass er gar nicht bemerkte, wie immer weniger Leute
auf der Allee unterwegs waren, bis er ganz allein sei
nem Weg folgte. Er bemerkte nicht, wie still es ge
worden war oder dass sich die Überwachungskame
ras langsam eine nach der anderen abschalteten. Er
war ehrlich überrascht, als ein blutroter Teufel plötz
lich vor ihm aus einer Nebenstraße zum Vorschein
kam und ihm rasch den Weg versperrte. Lewis blieb
abrupt stehen, blinzelte ein paar Mal und studierte
den Anblick, der sich ihm bot. Dieser Teufel war
eindeutig das Resultat einer erstklassigen Umwand
lung, vorgenommen in einem Bodyshop der Spitzen
kategorie. Ziegenhörner ringelten sich aus einer
schweren, bedrohlich vorgezogenen Stirn. Der
schmallippige Mund strotzte von spitzen Zähnen,
und die krummen Satyrbeine endeten in gespaltenen
Hufen. Das war die Art Ganzkörpergestaltung, die
ernsthaft Geld kostete. Und der Disruptor, mit dem
der Teufel direkt auf Lewis’ Kopf zielte, war eben
falls beste Qualität.
Lewis fand, dass er hätte applaudieren sollen, aber
er war nicht wirklich in Stimmung. Er betrachtete
den Teufel finster. »Höllenfeuerclub, nicht wahr?
Nette Hörner. Verschwindet! Ich bin beschäftigt.«
Der Teufel blinzelte ärgerlich, war auf einmal un
sicher und senkte die Pistole ein wenig. »Was?«
»Ich sagte: Verschwindet! Ich habe jetzt wirklich
keine Zeit dafür. Geht einen Touristen ausrauben
oder so was. Dann hat er wenigstens eine hübsche
Geschichte zu erzählen, wenn er wieder zu Hause
ist.«
»Haltet die Klappe!«, verlangte der Teufel und
streckte den haarigen, dunkelroten Arm aus, um mit
der Pistole direkt zwischen Lewis’ Augen zu zielen.
»Der Höllenfeuerclub hat Euch zum Tode verurteilt,
Lewis Todtsteltzer!«
Lewis seufzte. Er brauchte den Teufel nur anzuse
hen, um ein halbes Dutzend Möglichkeiten zu entde
cken, wie er ihn entwaffnen konnte, ohne dabei
selbst ein Risiko einzugehen – aber er hatte einfach
nicht die Energie. Er überlegte sich gerade eine wirk
lich vernichtende Bemerkung, als eine zweite Gestalt
unvermittelt aus der Nebenstraße hervorplatzte; sie
trug die schwarze Dominomaske eines SchattenhofMeuchelmörders und deutete ebenfalls mit einer
Strahlenpistole auf Lewis.
»Sprecht Eure Gebete, Champion des Königs! Der
Schattenhof hat Euch zu … zum … Wartet mal! Ver
zieht Euch von hier, Ihr dämlicher kleiner Höllenfeu
er-Amateur! Der Todtsteltzer gehört mir!«
»Den Teufel tut er!«, raunzte der Teufel und
schwenkte die Pistole rasch auf den Meuchelmörder.
»Ich war zuerst hier.
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