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Green, Simon R. - Todtsteltzers Erbe

Green, Simon R. - Todtsteltzers Erbe

Titel: Green, Simon R. - Todtsteltzers Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Todtsteltzers Erbe
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Jesamine stockte mitten in einer Anekdote die Stim
me. Sie wollte schon etwas Scharfes sagen, brach
jedoch ab, als sie den Ausdruck der Sorge in seinem
Gesicht entdeckte, die plötzliche Bereitschaft zu Ge
walt und Schlacht in seiner Körpersprache. Der ruhi
ge und gütige Freund war verschwunden und von
jemand anderem ersetzt worden, jemandem, der
furchterregender war. Zum ersten Mal sah Lewis
ganz nach seiner Legende aus, nach einem Todtstelt
zer. Sie stand auf und folgte seinem Blick durch das
große Panzerglasfenster, das Ausblick auf die Haupt
straße gewährte. Irgendwas passierte da draußen, und
es hatte nichts mit Jesamine Blume zu tun. Lewis trat
ans Fenster heran, eine Hand auf dem Pistolengriff.
Jesamine folgte ihm rasch.
    Der Fan-Pöbel hatte sich zerstreut und Aufstellung
entlang der Bürgersteige bezogen, von wo aus die
Leute lautstark die beinahe militärisch straffe De
monstration beschimpften, die die Straße entlang
marschierte: Die Demonstranten schritten zu sechst
nebeneinander her und blockierten die Straße somit
ganz, und die Kolonne erstreckte sich bis außer
Sichtweite. Die Stiefel krachten in perfekter Präzisi
on, und die Schilde und Banner wurden hochgehalten
wie Truppenstandarten. Hin und wieder stimmten die
Demonstranten mit kalten, weit tragenden Stimmen
kurz ihre hässlichen Slogans an und übertönten damit
die von den Zuschauern gebrüllten Beleidigungen
und Missbilligungen. Der Lärm erinnerte Lewis an
Fütterungszeit in der Arena, wenn neu importierte
Killerkreaturen vorgestellt wurden. Man schmeckte
beinahe die Blutgier in der Luft.
    Er erkannte die Aufmachung der Demonstranten
sofort: blutrote Uniformen mit großem weißem
Kreuz auf der Brust. Das neue Symbol der militanten
Kirche des Transzendenten Christus, bekannt, seit
die Kirche es leid geworden war, geduldig auf Ver
änderungen zu warten, und mit der Reinen Mensch
heit ins Bett ging, um die Dinge voranzutreiben. Ihre
Sprecher waren überall, in Nachrichtensendungen
und Talkshows. Alle Welt redete über diese neue mi
litante Kirche. Die Kirche und die Neumenschen,
eine in der Hölle geschlossene Ehe. Und Gott allein
wusste, welche Kinder sie noch zeugen würde.
    Verdammt viele dieser Leute waren jetzt auf der
Straße unterwegs und marschierten entschlossen vor
der Teestube entlang, und Lewis runzelte die Stirn,
als ihm klar wurde, wie kläglich wenig Sicherheits
leute zugegen waren. Ordner waren kaum zu entde
cken, lediglich eine Hand voll Friedenshüter, und
nirgendwo eine Spur von einem Paragon. Lewis
Stirnrunzeln vertiefte sich. In Ordnung, Emma Stahl
war wohl immer noch damit befasst, sich über die
hiesigen Verhältnisse zu informieren, und Gott
wusste, wo Finn Durandal heutzutage steckte, aber
sicherlich hätten die Behörden doch jemanden finden
können, der die Demonstration im Auge behielt,
selbst wenn sie dazu eine Razzia im Heiligen Gral
durchführen mussten … Aber vielleicht fürchtete
sich die Staatsmacht auch davor, die Kirche gegen
sich aufzubringen. Die Militanten waren erstaunlich
schnell erstaunlich mächtig geworden. Eine zu große
Sicherheitspräsenz hätte womöglich genau den Ärger
provoziert, den die Behörden unbedingt vermeiden
wollten. Trotzdem, falls die Lage außer Kontrolle
geriet … Lewis blickte sich zu Jesamines
Sicherheitsleuten um und war gar nicht sonderlich
überrascht zu sehen, dass sie sich in die
Eingangshalle der Teestube zurückgezogen hatten,
rückgezogen hatten, auf Distanz zu möglicher Ge
fahr. Ihr einziges Interesse war der Schutz Jesamines.
Lewis machte ihnen keinen Vorwurf daraus. Sie wa
ren professionell genug, um zu erkennen, wann sie
hoffnungslos überfordert waren.
    »Die Militante Kirche«, sagte Jesamine leise ne
ben ihm. »Ich habe sie schon in den Nachrichten ge
sehen. Scheußliche Leute mit einer scheußlichen
Botschaft. Die Menschen zuerst, die Fremdwesen gar
nicht mehr. Kein Gespür für Mode. Und auch kein
Humor, nach dem, was ich von ihren Sprechern ge
hört habe. Komisch, dass der Humor immer als Ers
tes flöten geht, wenn man Abschied vom gesunden
Menschenverstand nimmt, um die Extreme von Poli
tik oder Religion anzusteuern.«
    »Und bei ihnen sind es Politik und Religion«, sag
te Lewis, der immer noch zum Fenster hinausblickte.
Sein Ton war kalt und nachdenklich. »Eine tödliche
Kombination. Die Kirche hat jeden Sinn für Mäßi
gung oder Zurückhaltung verloren, seit sie sich die
Philosophie

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