Green, Simon R. - Todtsteltzers Erbe
Kurs auf den allerbesten
Tisch im Raum. Kellnerinnen in altmodischen Uni
formen eilten herbei, um die Stühle für sie und Lewis
hervorzuziehen, und eilten dann geschäftig zwischen
Tisch und Küche hin und her, um alles Nötige für
einen zivilisierten Abendtee bereitzustellen. Das
Teeservice bestand aus echtem, antikem Silber, und
man legte Jesamine die verschiedensten Arten von
Pfannkuchen und Gebäck und Horsd’oeuvres zur
Auswahl vor.
Sie nickte zu allem und bedeutete dem Personal
anschließend mit brüsker Geste, es möge sich rar
machen. Die Leute zogen sich eilig und katzbuckelnd
zurück. Lewis betrachtete Jesamine nachdenklich.
Wer glaubte, die Aristokratie gehörte der Vergan
genheit an, und er hatte sich nie in Gesellschaft eines
echten Stars aufgehalten. Er blickte sich in der Tee
stube um und fühlte sich ein ganz klein wenig unbe
haglich. Auf seine eigene Art war dieses Etablisse
ment großartiger als selbst der Hof. Normalerweise
durfte sogar ein Paragon nicht darauf zählen, hier
einen Platz zu erhalten, wenn er nicht reserviert hat
te. Und selbst wenn, dann konnte er sich vermutlich
die Miete für die Tasse nicht leisten, in der der Tee
serviert wurde. Tatsächlich wirkte die Porzellantasse
vor Lewis so zerbrechlich, dass er fast Angst davor
hatte, sie zur Hand zu nehmen. Er war nur froh, dass
er rechtzeitig herausgefunden hatte, was hier die Fin
gerschale war. Wie üblich fühlte sich Jesamine völlig
zu Hause und beschäftigte sich damit, den Tee einzu
schenken. Sie bestand darauf, dass Lewis all die we
niger bekannten Häppchen probierte, und fütterte ihn
sogar unter Zuhilfenahme der eigenen zierlichen
Finger mit einem oder zwei Stückchen, was Lewis
ausgesprochen peinlich war.
Sie schwatzte endlos über dies und das, und nichts
davon hatte wirklich Bedeutung, aber es wurde von
ihrem bissigen Humor unterhaltsam gestaltet. Lewis
trug nicht viel zum Gespräch bei. Er war zufrieden,
nur dazusitzen und zuzuhören und Jesamine anzu
schauen. Sie war wirklich sehr schön. Manche Vi
deostars sahen auf dem Bildschirm gut aus, ent
täuschten jedoch im wirklichen Leben. Lernte man
sie persönlich kennen, wirkten sie gleich kürzer oder
dicker, oder die Gesichter wiesen irgendwelche un
erwarteten Makel auf, die normalerweise durch
Computerbearbeitung retuschiert wurden, ehe die
Bilder zur Sendung gelangten. Oder sie waren ein
fach … kleiner, weniger glanzvoll. Jesamine hinge
gen wirkte, wie sie ihm hier gegenübersaß, betörend
schön, nicht in irgendeinem klassischen Sinn, son
dern einfach, weil ihr Gesicht so voller Charakter
war, so lebendig gemacht von jedem Gefühl, das
durch ihr Mienenspiel lief. Aus der Nähe strahlte sie
eine Sinnlichkeit aus, die durch ihre entspannte Art
völlig natürlich wirkte, aber deshalb nicht weniger
überwältigend war. Die wenigen berühmten oder be
törenden Menschen, die Lewis persönlich kennen
gelernt hatte, hatten ihn unterschwellig eingeschüch
tert, obwohl er sich das nie eingestanden hätte; in
Jesamines Gesellschaft fühlte er sich hingegen völlig
behaglich. Er hatte das Gefühl, dass sie ihn mochte.
Er mochte sie. Er bewunderte ihren … Geist, ihr
Selbstvertrauen, ihre grenzenlose Energie. Sie war
stets so clever und sicher, egal in welcher Situation.
Und wenn sie ihn anlächelte, fühlte er sich wie von
der Sonne gewärmt. So jemandem war er noch nie
begegnet. Sie war klug und charmant und witzig, und
die Worte liefen ihr so rasch von den Lippen, dass
sie wie ein rasch fließendes, sprudelndes und fun
kelndes Bächlein klangen. Ihr Körper war einfach
hinreißend … Lewis riss sich zusammen. Es war die
Verlobte seines besten Freundes, über die er hier
nachdachte! Die Frau, die zur nächsten Königin des.
Imperiums bestimmt war. Ein Star, eine Diva, eine
Legende auf ihrem eigenen Gebiet. Wohingegen er
… nur ein Leibwächter war. Zugegen, um sie vor
jeder Gefahr zu schützen, vielleicht ihn selbst einge
schlossen.
Jesamine betrachtete Lewis sorgfältig, ohne dabei
zu offensichtlich vorzugehen. Er fühlte sich in solch
piekfeiner Umgebung eindeutig unwohl, schien sich
aber endlich doch ein wenig zu entspannen. Sie woll
te, dass er lernte, in ihrer Gesellschaft locker zu las
sen. Er war immer so förmlich und so höflich, wenn
er bei ihr war, was sie natürlich süß fand, aber auch
ein bisschen lästig. Nichts ging über fast universelle
Bewunderung, die einem entgegenschlug, um echte
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