Green, Simon R. - Todtsteltzers Erbe
ein Knurren klang. »Was zum Teufel hast du dir da
bei gedacht, Lewis? Sie heiratet in zwei Wochen
Douglas! Deinen besten Freund! Sie wird seine Kö
nigin sein. Du zerstörst alles!«
»Denkst du, dass wüsste ich nicht?«, hielt ihr Le
wis entgegen, angestrengt bemüht, seine Stimme un
ter Kontrolle zu halten. »Ich weiß selbst nicht, wie es
passiert ist. Es … kam einfach dazu. Ich weiß, dass
es falsch war, aber … Es ist ja nicht so, dass sie ihn
lieben würde. Das ist eine arrangierte Ehe. Nicht viel
mehr als eine Firmenfusion. Und Jesamine … ist et
was Besonderes. Sie bedeutet mir etwas. Verdammt,
darf ich mir denn selbst nichts gönnen? Ich bin kein
Paragon mehr. Ich soll der Champion sein, aber nie
mand scheint zu wissen, was das eigentlich ist. Und
seit mein bester Freund König ist, hat er auch keine
Zeit mehr für mich. Ich bin so allein, Anne … Ich
wollte nie Champion sein. Habe nie damit gerechnet.
Ich war nur damit einverstanden, weil ich dachte,
Douglas brauchte mich. Und jetzt scheint es, als hätte
ich alles verloren, was mir je wichtig war. Ist es so
falsch, wenn ich mir eigene Wünsche gönne, Anne?
Jesamine macht mich glücklich. Sie macht sich etwas
aus mir.«
»Mach dir doch nichts vor, Lewis.« Anne klang
jetzt eher verächtlich als zornig. »Sie ist eine Schau
spielerin, weißt du noch? Ich kenne sie seit Jahren,
und es gab noch nie einen Mann, den sie nicht um
den kleinen Finger wickeln konnte. Viel wahrschein
licher ist, dass sie sich einfach langweilte und du
greifbar warst. Sie muss viel aufgeben, um Königin
zu werden, darunter viel Freiheit, die sie bislang im
mer für selbstverständlich hielt. Du warst einfach
eine letzte Gelegenheit, sich auszutoben, eine letzte
Geste, ein letzter Geschmack der Freiheit, ehe sie das
alles aufgeben und respektabel werden muss. Ich ha
be dich für klüger gehalten, Lewis. Für stärker.
Wenn auch nur eine Andeutung hiervon durchsi
ckert, hätten die Klatschsender einen Festtag – das ist
dir sicher klar. Und die Feinde des Königs würden es
benutzen, um ihn zu vernichten. Möchtest du das?«
»Natürlich nicht! Er ist mein Freund!«
»Dann benimm dich auch so! Und halte von jetzt
an den Mund und behalte die Finger bei dir, wenn du
dich in Gesellschaft von Fräulein Heißblut bewegst.
Ich kann ihr vielleicht nicht trauen, aber ich dachte,
ich könnte dir trauen.«
»Das kannst du auch«, sagte Lewis. Sein Gesicht
war jetzt ruhig und die Stimme kalt und gleichmäßig,
und nur jemand, der ihn richtig gut kannte, hätte die
Trauer in seinen Augen entdeckt. Anne, die ihm von
Kindesbeinen an nahe stand, fasste ihn sanft am Arm
und führte ihn rasch zur Rückseite der Teestube.
»Komm, Lewis. Auf uns wartet Arbeit, und wir
werden gebraucht. Es ist nicht das Gleiche, als wür
den wir gewollt, aber es muss reichen.«
Drüben in Finns hübscher Wohnung sahen sich der
Durandal und seine Leute die Demonstration der
Kirche und der Neumenschen auf dem überdimensi
onierten Videoschirm an, der eine Wand fast völlig
ausfüllte. Die Farben wirkten ein bisschen übertrie
ben, aber die dreidimensionale Darstellung und der
Raumklang vermittelten den Eindruck, als blickte
man zum Fenster hinaus. In der Regel hatte Finn kei
nen großen Bedarf an Spielsachen, aber wenn er
doch mal zu dem Schluss gelangte, dass er etwas
brauchte, gab er sich mit nichts Geringerem zufrie
den als dem Besten, was er kriegen konnte. Er saß
völlig entspannt in seinem Lieblingssessel, trank ei
nen populären Wein und lächelte glücklich, während
sich seine Pläne vor seinen Augen entfalteten.
Angelo Bellini saß in einem Sessel neben ihm,
ganz auf den Videoschirm konzentriert, und hin und
wieder lächelte er, wenn er sich vergaß. Er hielt ein
Getränk in der Hand, war aber so gebannt von dem
Drama, das zu inszenieren er mitgeholfen hatte, dass
er das Glas vergessen hatte. Immer wieder mal beug
te er sich unvermittelt vor, wenn er ein bekanntes
Gesicht unter den Demonstranten entdeckte, und de
klamierte den Namen laut für die übrigen Anwesen
den, die sich aber gar nicht sonderlich dafür interes
sierten, um die Wahrheit zu sagen. Angelo bemerkte
das nicht, war ganz mit sich selbst beschäftigt. Und
hin und wieder zuckte er und kratzte sich unwillkür
lich auf übertriebene Art und Weise, und bemerkte
nie, dass es praktisch ohne eigenes Zutun geschah.
Brett Ohnesorg hatte nur ein höhnisches Grinsen
für ihn übrig. Er hing
Weitere Kostenlose Bücher