Green, Simon R. - Todtsteltzers Erbe
Befehle
befolgt, als er auf Lewis schoss. Er hoffte (insge
heim), dass der Paragon überlebte. Früher mal waren
Lewis’ und Bretts Ahnen Freunde gewesen. Partner.
Helden, die Seite an Seite gegen das Böse stritten.
Damals musste alles noch einfacher gewesen sein.
Brett konnte nicht umhin, sich zu fragen, was seine
legendären Ahnen zu ihm gesagt hätten. Er dachte
nicht, dass sie allzu beeindruckt gewesen wären.
Brett war nie ein gewalttätiger Mensch gewesen.
Er beherrschte Pistole und Schwert, weil es sein
musste, wollte er es überleben, im Slum aufzuwach
sen. Immer hatte er sich jedoch lieber mit Betrüge
reien befasst, bei denen niemand wirklich verletzt
wurde. Nicht mal die Opfer, die er so gründlich
molk, hatten echten Grund zur Klage. Stets nahm er
die wirklich reichen Säcke aufs Korn, die es sich
leisten konnten zu verlieren, was er ihnen wegnahm.
Er strafte immer nur die Habgierigen. Bis heute. Jetzt
starben Menschen seinetwegen. Gute Menschen. Er
trank seinen Brandy in kräftigen Schlücken, fand je
doch keinen Trost dabei. Der Magen schmerzte
schlimmer denn je. Anspannung. Schuldgefühle. Und
vielleicht, nur vielleicht, die ersten Ansätze eines
Gewissens.
Sobald sich ihm die geringste Chance bot, gedach
te er davonzurennen, als stünde sein Hintern in
Flammen, und zum Teufel mit Finn, dem verdamm
ten Durandal. Das war alles kein Spaß mehr; war es
nie gewesen. Er blickte von seinem Glas auf und be
gegnete dem Blick von Rose, der Wilden Rose, die
ihn erneut nachdenklich musterte. Sie lächelte, und
Brett bekam eine Gänsehaut. Raus hier, auf jeden
Fall! Und je eher, desto besser.
Finn studierte die wachsende Zahl der Toten auf
dem Videoschirm und zeigte ein bedächtiges, zufrie
denes Grinsen. Ihm war ganz warm und behaglich
zumute. Alles lief nach Plan. Die Kommentatoren
sprachen vom schlimmsten Tag in der Geschichtedes goldenen Zeitalters. Nur er wusste, dass all das
erst der Anfang war.
KAPITEL VIER
SCHRECKEN IN DER NACHT
Emma Stahl, der neueste Paragon von Logres, Be
schützerin der Schwachen und Rächerin der Geschä
digten, stand am frühen Morgen ungeduldig auf dem
Dach ihres Wohnblocks, und der schwere Purpur
mantel umflatterte sie geräuschvoll im böigen Wind.
Sie wartete auf Finn Durandal. Sie wartete schon seit
fast einer Stunde und war nicht in bester Stimmung.
Schlimm genug, dass Finn ihr in den zurückliegen
den Tagen ständig ausgewichen war, ehe er schließ
lich einwilligte, ihr wenigstens einmal die Hauptstadt
zu zeigen; jetzt schien es jedoch, als könnte man von
ihm nicht mal erwarten, pünktlich zu dem Zeitpunkt
zu erscheinen, auf dem er selbst bestanden hatte.
Emma, die nie zu irgendetwas zu spät kam, betrach
tete Finns Ausbleiben als persönliche Beleidigung.
Sie war bereits über Entrüstung und geplante Gegen
kränkungen hinaus und debattierte derzeit mit sich,
an welcher Seite des Daches es wohl den meisten
Spaß machte, Finn herunterzustoßen. Niemand be
leidigte Emma Stahl und kam auch noch damit
durch!
Sie schäumte schweigend vor sich hin, die Arme
fest auf der gepanzerten Brust verschränkt, und tapp
te bedrohlich mit einem Fuß. Dabei war auch nicht
hilfreich, dass sie verdammt sicher war, des Duran
dals Einwilligung zu diesem Treffen nur deshalb er
halten zu haben, weil die Medien in immer nach
drücklicherem Ton die Frage aufwarfen, warum sich
Finn noch nicht mit der neuen Partnerin zusammen
getan hatte – besonders seit beide bei dem Neumen
schen-Aufruhr so gut gemeinsam gekämpft hatten.
Emmas Mund wurde noch schmaler, während sie
diesem Gedanken nachhing. Viel an diesem Aufruhr
bereitete ihr Kopfzerbrechen.
Zunächst hatten die schiere Bösartigkeit und Ge
walttätigkeit sie bis ins Mark erschreckt. Emma war an
Gewalt gewöhnt; schließlich war sie auf Nebelwelt
aufgewachsen, wo Körperverletzung als alltäglicher
Vorfall galt. Aber … Zivilisten, die sich gegen Parago
ne wandten? Die Paragone töteten, ihre eigenen gelieb
ten Beschützer, und das in der angeblich zivilisiertesten
Stadt auf dem zivilisiertesten Planeten des Imperiums?
Falls man sich nicht darauf verlassen konnte, dass sich
die Einwohner von Logres vernünftig und gesittet be
nahmen, dann konnte man sich auf gar nichts mehr
verlassen. Womöglich nicht mal mehr auf den legendä
ren Finn Durandal. Emmas Stirnrunzeln vertiefte sich
zu einer ausgesprochen finsteren Miene.
In diesen Augenblicken der Verwirrung, als sie
sich einen Weg
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