Green, Simon R. - Todtsteltzers Erbe
nach unten war; wo und
bei wem man Antworten erhielt. Schlichte, geradli
nige Ortskenntnisse, wie sie jeder gute Friedenshüter
brauchte, um seine Arbeit zu machen. Finn redete
zwar viel, sagte aber nichts. Es schien, dass Emmas
erster Eindruck von Finn Durandal wohl doch zutref
fend gewesen war. Er hatte kein Feuer in sich, keine
Leidenschaft, nichts, was Hinweis darauf gegeben
hätte, dass er einen Dreck auf seine Arbeit gab und
darauf, sie auch gut zu machen – darauf, ein Paragon
zu sein. Schließlich wurde es Emma zu viel. Sie gab
einen kurzen Beschleunigungsschub, setzte ihren
Schlitten direkt vor seinen und zwang ihn zu stop
pen. Sie funkelte ihn an und machte sich nicht mal
die Mühe, den Zorn in ihrem Ton zu verhehlen.
»Das ist es? Ist das Eure Vorstellung von einer Pa
trouille, Partner? Wir fliegen durch die Gegend, be
staunen die Aussicht und warten auf einen Notruf?
Wir können hier oben nichts erreichen! Wir müssen
uns dort unten ins Getümmel stürzen, dort unten auf
den Straßen, müssen Fragen stellen und Namen no
tieren! Ich habe mich heute Morgen gleich bei der
Einsatzleitung erkundigt: Es liegen Hunderte laufen
der Fälle vor, um die wir uns kümmern könnten! Und
ich werde verdammt noch mal nie eine Vorstellung
davon bekommen, wie diese Stadt funktioniert, wenn
Ihr mir nichts von dem erzählen möchtet, was ich
wissen muss. Warum zeigt Ihr mir nicht den Slum?
Lewis sagte …«
»Vergesst, was der Todtsteltzer gesagt hat! Er ist
kein Paragon mehr.« Finn sah Emma finster an und
senkte dabei zum ersten Mal die Maske. Sein Ton
war kalt, machtvoll, befehlsgewohnt. Bei jedem an
deren hätte es womöglich funktioniert. »Haltet Euch
fern vom Slum, Emma. Dafür seid Ihr noch nicht be
reit. Dort ist es sogar für einen Paragon sehr gefähr
lich. Vielleicht besonders für einen Paragon. Trotz
Eurer eindrucksvollen Reputation würde man Euch
dort lebendig auffressen.«
Emma zeigte ihm ihre beste Ausgabe eines sardo
nischen Blicks. »Ich dachte, wir wären hier in der
zivilisiertesten Stadt auf dem zivilisiertesten Planeten
des Imperiums? Wollt Ihr mir tatsächlich sagen, dass
es auf Logres Orte gibt, vor denen Ihr Euch fürch
tet?«
»Ihr denkt vielleicht, dass Ihr mit dem Bösen ver
traut seid«, sagte Finn. »Weil Ihr Nebelwelt und Rhi
annon kennt. Aber die Leute dort sind lediglich
Amateure, verglichen mit Logres. Nur aus den besten
Weinen gewinnt man den giftigsten Bodensatz. Nur
die höchstentwickelte Zivilisation bringt die subtils
ten, schrecklichsten Übel hervor. Der Slum destilliert
das Böse auf seine bösartigste Konzentration. Ihr
würdet ihn keine zehn Minuten überleben. Sobald ich
Euch für bereit halte, sobald Ihr Euch vor meinen
Augen bewiesen habt, führe ich Euch dorthin. Und
zeige Euch Dinge, denen Ihr bislang selbst in Euren
schlimmsten Albträumen nicht begegnet seid, kleines
Fräulein Kusine vom Lande! Bis dahin: Haltet Euch
fern! Das ist ein Befehl!«
Er brach ab, als plötzlich ein Anruf auf dem Not
rufkanal der Paragone einging. Finn und Emma hör
ten konzentriert zu, während die Einsatzleitung sie
über einen Bombenanschlag des Höllenfeuerclubs
auf den zweitwichtigsten Raumhafen von Logres in
formierte, Avalon City. Teufel hatten ein Loch in den
Rumpf eines Sternenliners gepustet, direkt neben
seinen Hyperraumtriebwerken, und alle Arten ge
fährlicher Energie strömten hinaus auf die Lande
plätze. Bislang fünfundsiebzig Tote und Hunderte im
Prozess der Mutation, und die Zahlen stiegen lau
fend. Finn bedachte Emma mit einem Blick, der bei
nahe erleichtert wirkte.
»Hört sich nach einer schlimmen Sache an, selbst
für den Höllenfeuerclub. Ich kümmere mich lieber
darum. Fliegt Ihr noch ein wenig über die Stadt und
verschafft Euch ein Gefühl für alles. Geht auf die
Straßen hinunter und redet mit den Menschen, falls
Ihr es gewohnt seid, so vorzugehen. Aber seid stets
vorsichtig und achtet um Gottes willen auf das, was
hinter Eurem Rücken geschieht! Und haltet Euch
vom Slum fern! Ich möchte nicht schon an Eurem
ersten Tag im Dienst eine Verlustmeldung schrei
ben.«
Er wendete den Schlitten, ohne auf eine Antwort
zu warten, und nahm Kurs auf Avalon City. Emma
blickte ihm nach, bis er sicher außer Reichweite war,
und legte schließlich direkten Kurs auf den Slum ein,
den Koordinaten folgend, die Lewis ihr genannt hat
te. Es musste einen Grund geben, warum Finn so er
picht war, sie von Logres’ offiziellem
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