Green, Simon R. - Todtsteltzers Erbe
Gangwerth,
forderte eine Audienz bei Angelo Bellini, dem Leiter
der Militanten Kirche, und er forderte sie, seit die
Kirchendemonstration zu einem Neumenschenauf
stand ausgeufert war. Angelo kam nun endlich dazu,
Gangwerth zu empfangen. Sie saßen einander an
Angelos sehr eindrucksvollem, supermodernem
Schreibtisch in Angelos extrem luxuriösem Büro ge
genüber. Jetzt, wo Angelo Karriere gemacht hatte
und endlich zu der Bedeutung gelangt war, die ihm
seiner Meinung nach von jeher zustand, hatte er kei
ne Zeit verloren und seine Einsatzbasis in das größte
Büro verlagert, das er in der großen Kathedrale von
Logres finden konnte. Der vorherige Inhaber hatte
keine Einwände erhoben. Er wusste sehr gut, aus
welcher Richtung der Wind wehte.
Das neue Büro bot jede Annehmlichkeit, die sich
Angelo nur hatte ausdenken können: tiefe Teppiche,
geäderte Marmorwände, eine wirkungsvolle, aber
unauffällige Zentralheizung und Klimaanlage und
ein langes Regal, vollgepackt mit all den besten
Weinen aus den umfangreichen Kellereien der Ka
thedrale. Das Leben war schön. Angelo versagte sich
nichts. Warum auch? Er war jetzt das faktische
Oberhaupt der Kirche, oberster Fürst über das
Schicksal von Milliarden Seelen, und es wurde all
mählich Zeit, dass der Patriarch das einsah. Und es
war längst überfällig, dass sich Roland Gangwerth
als Vertreter einer untergegangenen Welt erkannte.
Angelo lehnte sich auf dem überdimensionierten
Stuhl zurück, aktivierte die Massagefunktion und
schenkte dem Patriarchen ein breites Lächeln.
Gangwerth saß steif auf seinem unbequemen Besu
cherstuhl mit der steilen Lehne. Er rührte sich unbe
haglich, als er Angelos Lächeln sah, und blinzelte ihn
eulenhaft an.
»Hübsches Büro, Angelo. Sehr geräumig. Ein
bisschen übertrieben für meinen Geschmack, aber
mit materiellen Freuden konnte ich noch nie viel an
fangen. Ich war Mönch, wie Ihr Euch wahrscheinlich
erinnert, ehe man mich zum Kardinal und später zum
Patriarchen berief. Ich war als Mönch glücklich.
Mehr hatte ich mir nie gewünscht. Aber man sagte
mir, ich würde gebraucht, und auf so was bin ich
immer reingefallen … Und so bin ich hier. Und Ihr
ebenfalls. Der Patriarch und der … was genau seid
Ihr jetzt?«
»Ich bin der Engel von Madraguda. Medienheili
ger, geistliche Inspiration der Militanten Kirche und
Herr über alles, was ich überblicken kann. Ich bin
Angelo Bellini, und die Kirche tut, was ich ihr auf
trage. Das müsst Ihr bemerkt haben.«
»Na ja«, sagte Roland Gangwerth zurückhaltend.
»Man ignoriert mich derzeit weniger, als man mich
einfach übergeht. Wichtige Fragen legt man mir
nicht mehr vor, meine Direktiven gehen verloren
oder werden falsch abgelegt, und bei den Medien
nimmt niemand mehr Anrufe von mir entgegen. Die
Hälfte meiner Mitarbeiter erscheint nicht mal mehr
zur Arbeit. Es ist, als wäre ich unsichtbar geworden.
Trotzdem bin ich weiterhin der Patriarch, Angelo,
der gewählte und gesalbte Leiter der lebendigen Kir
che, das rechtmäßig ernannte, von Gott gesegnete
geistliche Oberhaupt des ganzen Imperiums. Und ich
lasse mich nicht so ohne weiteres zur Seite schieben
oder zum Schweigen bringen. Ich habe die Pflicht
und die Verantwortung, meine Herde, meine Kirche
in die richtige Richtung zu führen – sie vor dem Bö
sen zu bewahren und notfalls vor sich selbst zu
schützen. Falls Ihr einen Kampf wünscht, Angelo,
bin ich absolut bereit, ihn Euch zu liefern. Die Kir
che und die Militante Kirche sind trotz all Eurer Be
mühungen nicht identisch. Nach wie vor sind an
sehnlich viele Menschen bereit und willens, mich
und die wahre Kirche zu unterstützen.«
»Nur ein Dummkopf nimmt einen Kampf auf, den
er nicht gewinnen kann«, wandte Angelo ein. »Ihr
habt ein paar wohlmeinende, verstreute Anhänger.
Ich kann auf die Neumenschen zurückgreifen. Ihr
habt Glauben und ein gutes Herz. Ich habe eine Ar
mee fanatischer Anhänger, bereit, auf mein bloßes
Wort hin zu kämpfen und zu sterben. All Eure kost
baren Überzeugungen bieten keinen Schutz vor kal
tem Stahl. Der Glaube hält keinen Energiestrahl
auf.«
»Ihr habt in letzter Zeit nicht in Eurer Bibel gele
sen, nicht wahr, Angelo?«, fragte der Patriarch gelas
sen. »Seht Ihr, ich bin wirklich sehr traurig darüber,
wie sich die Dinge in jüngster Zeit entwickelt haben.
Eine Zeit lang war ich verwirrt. Ich sah, wie sich die
Kirche veränderte, und kannte den Grund nicht. Ich
dachte,
Weitere Kostenlose Bücher