Green, Simon R. - Todtsteltzers Erbe
nicht
ums Geld, Lewis. Es ging nie ums Geld. Das wisst
Ihr. Aber ich fürchte … Ich werde die Site abschalten
müssen. Eure Site. Tatsächlich ist es schon passiert.
Es tut mir Leid.«
Lewis starrte ihn nur an und wusste nicht, was er
sagen sollte. Er wusste nicht recht, wie er sich fühlte,
nachdem er keine ihm gewidmete Website mehr hat
te. Einerseits hatte er sich nie ganz wohl damit ge
fühlt, überhaupt eine zu unterhalten; sie ermutigte zu
viel von der Fan-Bewunderung, die er schon immer
so peinlich gefunden hatte. Andererseits … falls es
einen Menschen gab, auf den er sich immer verlassen
hatte, dann war es Tim Hochburg. Tim hatte immer
an Lewis geglaubt und ihn verstanden; er stand zwi
schen Lewis und den Besessenen, die ihm sonst das
Leben zur Hölle gemacht hätten. In der Zeit vor Tim
hatte Lewis ein Abschirmsystem für seine Anrufe
installieren und alle sechs Monate die Adresse wech
seln müssen, um etwas Privatsphäre zu genießen.
Und jetzt … wirkte Tims Verhalten irgendwie selt
sam. Er wirkte … weniger aufgebracht als vielmehr
… enttäuscht.
»Was ist los, Tim? Was ist passiert? Hat jemand
wegen der Site Druck auf dich ausgeübt?«
»Nein! Darum geht es nicht. Naja, im Grunde
nicht. Es ist nur … nicht mehr dasselbe. Menschen
empfinden Euch gegenüber nicht mehr dasselbe. Seit
dem Aufstand der Neumenschen. Alles hat sich ver
ändert. Es macht keinen Spaß mehr. Ich bin sicher,
dass Ihr jemand anderen finden werdet, der die Site
übernimmt. Sie für Euch leitet. Für Leute, die noch
immer an Euch glauben. Es tut mir Leid. Ich kann es
nicht mehr tun. Ich muss jetzt auflegen. Lebt wohl.«
Seine Stimme schien aus allen Richtungen zu
kommen. Er weinte beinahe, als er schließlich die
Verbindung trennte. Lewis starrte fast erschrocken
auf den leeren Bildschirm und schaltete diesen dann
aus. Tim hatte ihn aufgegeben. Sein ältester und
treuester Fan. Lewis hatte gar nicht geglaubt, dass es
möglich war, sich noch einsamer zu fühlen, noch iso
lierter und verlassener; aber darin hatte er sich geirrt,
wie in so vielen Dingen. Er stand auf und kehrte
langsam zu seinem Sessel zurück. Seine Beine waren
unsicher, und er plumpste beinahe in den Sessel. Lag
es nur am Aufruhr? Oder kursierten doch schon Ge
rüchte über ihn und Jes? Nein, ausgeschlossen. Gäbe
es auch nur den Hauch eines solchen Gerüchts, wür
de seine Wohnung längst von Journalisten belagert,
die nach einer Stellungnahme brüllten. Hatte Doug
las womöglich durchsickern lassen, dass Lewis jetzt
offiziell eine unerwünschte Person war? Das hätte
ihm gar nicht ähnlich gesehen, aber andererseits war
Douglas noch nie zuvor so übel verraten worden.
Aber nein; auch ein solcher Bruch zwischen zwei so
wichtigen Personen wäre ein Festschmaus für die
Regenbogenmedien gewesen. Also warum hatte sich
Tim von ihm abgewandt?
Das Komm-Implantat läutete in Lewis’ Ohr, und
er richtete sich abrupt auf, als Douglas’ Stimme auf
dem persönlichen Kanal ertönte. Der König klang so
ruhig und bestimmt wie immer, aber irgendwie …
unpersönlich.
»Hallo Lewis. Verzeih die Belästigung, aber ich
habe da einen Job, der erledigt werden muss.«
»Hallo Douglas. Mach dir keine Sorgen; du störst
mich bei nichts Wichtigem. Was kann ich für dich
tun?«
»Ich möchte, dass du den Hof aufsuchst und mal
überprüfst, wie die Vorbereitungen für die Hochzeit
laufen. Sie hinken weit hinter dem Plan zurück, aber
ich kann niemandem eine klare Antwort entlocken,
wenn ich nach den Gründen frage. Ich habe selbst
nicht genug Zeit, um hinüberzugehen und sie selbst
anzuschreien, also möchte ich, dass du es tust. Hab
keine Hemmungen, in jeden Hintern zu treten, bei
dem du es für nötig hältst, damit die Leute wieder
Tempo machen. Wir reden später, Lewis. Tschüs.«
Und das war alles. Lewis kaute langsam auf den
Worten herum und wusste nicht recht, ob ihm zusag
te, wie sie schmeckten oder was sie andeuteten. Sein
erster Gedanke war, dass es um Beschäftigungsthe
rapie ging, noch dazu in sicherer Entfernung zum
Parlament und zu Douglas … und Jesamine. Jeder
hätte sich um ein so simples Problem kümmern kön
nen. Verdammt, Anne könnte das in ihrer Mittags
pause erledigen! Und ihn aufzufordern, für einen
glatten Verlauf der königlichen Hochzeit zu sorgen,
das konnte man als Versuch betrachten, sie ihm noch
kräftig unter die Nase zu reiben … Nur wäre das
kleinlich gewesen. Zu Douglas konnte
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