Green, Simon R. - Todtsteltzers Erbe
Ihr hattet
das Blut anderer Menschen im Gesicht und habt ge
lächelt! Wir senden seitdem praktisch ohne Unter
brechung das, was Ihr bei dem Aufruhr angerichtet
habt. Nicht nur Kanal 437, sondern alle Nachrichten
sender. Niemand konnte glauben, was Ihr getan habt.
Dass Ihr so bösartig sein konntet, so … außer Kon
trolle. Die berühmte Todtsteltzerwut, gegen Zivilis
ten gerichtet. Niemand traut Euch mehr. Was ist los,
Todtsteltzer? Ihr habt gesagt, Ihr wolltet die Wahr
heit hören. Habt Ihr jetzt nicht mehr den Mumm da
zu?«
»Ich habe niemanden umgebracht, der nicht sei
nerseits versuchte, mich zu töten«, wandte Lewis ein.
»Wir alle haben es gesehen, Todtsteltzer. Wir alle
haben gesehen, was Ihr getan habt. Wir haben alle
Euer wirkliches Selbst gesehen.«
Lewis riss den Dolch aus Prykes Ärmel und aus
der Wand, und der Journalist zuckte zusammen und
erwartete eindeutig den Todesstoß. Lewis steckte
sich den Dolch jedoch wieder in den Stiefel und trat
einen Schritt zurück.
»Danke, Adrian. Ihr könnt gehen.«
Pryke musterte ihn zweifelnd. »Meint Ihr das
ernst? Ihr bringt mich nicht um?«
»Nein, Adrian, ich bringe Euch nicht um.«
»Oh, gut!«, sagte Pryke. »Falls Ihr mich dann ent
schuldigen möchtet: Da ruft eine Toilette ganz laut
nach mir!«
Er schob sich seitwärts an der Wand entlang, bis er
sicher außer Lewis’ Reichweite war, drehte sich dann
um und rannte zum Ausgang, gefolgt von seiner
Kamera. Er blickte nicht zurück, als fürchtete er,
Lewis könnte es sich anders überlegen und ihm
nachsetzen. Oder ihn rücklings niederschießen. Le
wis blickte ihm nach, drehte sich dann langsam um
und blickte wieder durch den Hofsaal. Es war hier
ganz still geworden. Alle sahen ihn an. Als Lewis die
Blicke erwiderte, wandten die Leute sich ab und
wieder ihrer Arbeit zu. Lärm und Getöse erwachten
aufs Neue, aber nicht mehr annähernd so laut oder
lebhaft wie zuvor.
Lewis fühlte sich auf einmal müde und lehnte sich
mit dem Rücken an die Wand. Er schaute finster
drein und wirkte damit noch hässlicher als sonst.
Deshalb hatte Douglas ihn hergeschickt. Das war es,
was Lewis hatte sehen und erfahren sollen. Er sollte
die Wahrheit erfahren, weil Douglas sich nicht über
winden konnte, sie ihm persönlich zu sagen. Die
Wahrheit, dass alle Welt sich jetzt vor Lewis Todt
steltzer fürchtete. Dass niemand ihm mehr traute.
Nicht Jesamines wegen, sondern seiner Taten wegen,
zu denen er sich beim Aufstand der Neumenschen im
Zorn hatte hinreißen lassen. Alle hielten ihn jetzt für
ein Monster, und vielleicht hatten sie sogar Recht
damit. Kein Wunder, dass Tim Hochburg seine Web
site nicht mehr führen wollte!
Und Lewis war nicht nur ein Monster. Er war ein
Paria.
Douglas hatte ihn hergeschickt, damit er das lern
te. Ein letztes Geschenk eines alten Freundes? Oder
eine weitere Umdrehung des Messers durch einen
neuen Feind?
Lewis Todtsteltzer marschierte aufrechten Hauptes
aus dem Thronsaal, und alle dort waren froh zu se
hen, dass er ging.
Brett Ohnesorg und Rose Konstantin waren in
Finn Durandals Wohnung zurückgekehrt, saßen in
den üblichen Sesseln und warteten auf Anweisungen.
Der Durandal war irgendwo unterwegs und spielte an
Emma Stahls Seite den guten Paragon, aber er hatte
versprochen zu kommen, sobald er sich glaubhaft
verziehen und seine unerwünschte Partnerin sich
selbst überlassen konnte. Und so warteten Brett und
Rose, ohne sich gegenseitig anzublicken und ohne zu
reden. Brett hatte seinem schmerzenden Magen
schon alles verabreicht, was in seinem und Finns
Arzneischrank zu finden war, und verdammt nichts
davon hatte etwas genützt. Brett rieb sich den gepei
nigten Bauch beruhigend mit beiden Händen und
fragte sich trübsinnig, ob er vielleicht Kontakt zu Dr.
Glücklich aufnehmen und unter Berufung auf Finns
Kreditspanne um etwas bitten sollte. Die Schmerzen
hielten ihn nachts wach und trieben ihn morgens viel
zu früh aus den Federn, und er wurde es allmählich
verflucht leid. Kein Versprechen von Geld oder
Macht war das wert, und Finns Drohungen gegen
Brett, falls dieser daran denken sollte, ihn im Stich
zu lassen, wirkten stündlich weniger einschüchternd.
Manchmal überlegte sich Brett, dass er den kleinen
Rest seiner Seele verkauft hätte, hätte der Bauch
dann nur nicht mehr so schlimm wehgetan.
Er saß zusammengesunken im Sessel, die Knie
fast auf einer Höhe mit der Brust, und blickte sich
verdrossen nach etwas um, was ihn
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