Green, Simon R. - Todtsteltzers Erbe
man vieles
sagen, aber kleinlich hatte noch nie dazugehört. Ging
es hier also tatsächlich um etwas … Wichtiges, Be
deutsames, das bei Hofe geschah und das Lewis für
Douglas erkunden musste? Etwas, was Douglas offi
ziell nicht zur Kenntnis nehmen durfte? Eine Dro
hung, ein Streit, irgendwelche dunklen Machenschaf
ten, die Douglas nicht offen zur Sprache bringen
konnte? Gott wusste, dass man reichlich Gruppen
und Individuen antraf, die jede Chance nutzen wür
den, die Hochzeit zu stören. Lewis erinnerte sich an
den Selbstmordattentäter im Parlament, dachte dar
über nach, wie viel Schaden eine Materiewandlungs
bombe bei der Hochzeit anrichten konnte, und ihn
schauderte. Und es gab nur eine Möglichkeit zu er
fahren, was bei Hofe geschah: hingehen und nachse
hen. Also ging er hin.
Er fühlte sich tatsächlich wieder recht gut, als er bei
Hofe eintraf. Es war schön, erneut eine Aufgabe zu
haben und etwas zu tun, was von Belang war. Bei
Hofe wimmelte es von Menschen, die mit dringen
den Aufgaben hin und her rannten, alle anscheinend
viel zu beschäftigt, um mal stehen zu bleiben und mit
Lewis zu reden. Lewis spazierte langsam durch den
großen Saal, verschaffte sich einen Eindruck von den
Dingen, sah zu und lauschte und sagte selbst nichts,
während ihm alle anderen weiträumig auswichen,
ohne seine Anwesenheit oder auch seine Existenz
richtig anzuerkennen. Schnell wurde ihm deutlich,
dass zwar viel herumgeschrien und mit den Armen
gefuchtelt wurde, ganz zu schweigen von jeder Men
ge übler Ausdrücke, im Wesentlichen jedoch nichts
geleistet wurde, denn es herrschte keine Spur von
Einigkeit darüber, was als Erstes zu tun war. Jeder
hatte ein eigenes Programm mit eigenem Fertigstel
lungstermin, und niemand zeigte sich bereit, hinter
der Aufgabe eines anderen zurückzustehen. Projekte
blieben so unerledigt oder nur halb erledigt, bis ir
gendein anderer Abteilungsleiter des Weges kam und
die Arbeitsmannschaft für sein eigenes unerledigtes
oder nur halb fertiges Projekt abkommandierte. Le
wis seufzte, krempelte sich metaphorisch die Ärmel
hoch und stürzte sich hinein.
Im Zweifel wandte man sich immer an die Füh
rung. Lewis suchte einen Abteilungsleiter nach dem
anderen auf und redete höflich und ernsthaft mit je
dem von ihnen. Als das keine Wirkung zeitigte,
packte er jedes Hemd mit beiden Fäusten, knallte den
Gesprächspartner an die nächste Wand und funkelte
ihn an, bis er nur noch wimmerte. Er erläuterte ihm,
wie viel besser es für jeden war, wenn sie die Streite
reien einstellten und sich lieber zivilisiert und koope
rativ verhielten, und jeder seiner Gesprächspartner
nickte eifrig und hörte gar nicht mehr auf zu nicken,
bis Lewis die Hand vom Schwertgriff nahm. Oder in
extremen Fällen auch von den Hälsen der Leute.
Schließlich versammelte er alle Abteilungsleiter und
erklärte ihnen, wie unzufrieden der König mit ihren
mangelnden Fortschritten war. Und wie unglücklich
das wiederum ihn selbst machte. Er fuhr mit der Er
klärung fort, dass sie lieber ruckzuck ihre Arbeit ta
ten und alles in Gang brachten und den Termin wie
der aufholten, falls er nicht persönlich dafür sorgen
sollte, dass sie alle in einem großen Gemeinschafts
grab endeten (wahrscheinlich, aber nicht unbedingt
nach ihrem Tode), um dann mal zu sehen, wie gut
ihre Stellvertreter sich als Abteilungsleiter schlugen.
Alle willigten ein, sich künftig viel zivilisierter zu
benehmen und dem Büro des Königs regelmäßige
Arbeitsberichte zu schicken, um das auch nachzu
weisen, und Lewis schickte sie mit einem Lächeln
und ermutigenden Worten zurück an die Arbeit, er
gänzt um die Zusage eines beträchtlichen Bonus,
falls sie rechtzeitig fertig wurden und dabei innerhalb
des veranschlagten Budgets blieben. Außerdem ver
setzte er dem Langsamsten noch einen Tritt in den
Hintern, um ihm dabei zu helfen, dass er in die Gän
ge kam.
Und das hätte es eigentlich sein müssen.
Außer … dass er gar nicht damit klar kam, wie
eingeschüchtert alle von ihm waren. In Ordnung, er
hatte seine Rolle gut gespielt, komplett mit bedrohli
cher Miene und schwerem Atem, weil sie ihn an
dernfalls nicht ernst genommen hätten; auch war er
durchaus bereit gewesen, ein paar Köpfe zusammen
zuhauen, falls das nötig wurde, um ihre Aufmerk
samkeit zu erhalten, aber einige der Leute waren
schon in dem Augenblick in Schweiß ausgebrochen,
als sie ihn erblickten. Manche erweckten gar den
Eindruck, sie
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