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Green, Simon R. - Todtsteltzers Erbe

Green, Simon R. - Todtsteltzers Erbe

Titel: Green, Simon R. - Todtsteltzers Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Todtsteltzers Erbe
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vergaß zu
speisen. Das hatte man nun mal davon, wenn man in
einem fortwährenden Orgasmus lebte. Er trug ein
schlichtes graues Hemdkleid, roch stark und schien
ebenso zu schweben wie zu gehen, als er den tiefen
Teppich überquerte, um vor Angelos Schreibtisch zu
treten.
    Aus der Nähe betrachtet, wirkte der Ekstatiker
nicht sehr eindrucksvoll. Das ständige, nie schwan
kende Lächeln wirkte allerdings eindeutig beunruhi
gend, und in seinen Augen lag etwas … Angelo deu
tete auf den Stuhl vor dem Schreibtisch. Er wollte
verdammt sein, wenn er diesem Mann die Hand
schüttelte. Der Ekstatiker sank mit fast knochenloser
Schlaffheit auf den hartlehnigen Besucherstuhl, wäh
rend Angelo es sich in seinem doch luxuriöseren
Sessel der Macht äußerst bequem machte.
    »Nennt mich Freude«, sagte der Ekstatiker plötz
lich, und der Ton war erfüllt von echtem, wenn auch
unkonzentriertem Enthusiasmus. »Das ist natürlich
nur ein Rufname. Ich bringe nicht mehr die Geduld
für förmliche Namen auf. Und wer ich vielleicht frü
her mal gewesen bin, das ist weder für Euch noch für
mich von Interesse. Es ist schön, hier zu sein. Es ist
schön, irgendwo zu sein. Ihr und ich, wir sind uns
kurz anlässlich der Krönung von Douglas begegnet.
Haben ein paar Worte gewechselt. Oder vielleicht
auch nicht. Es ist so schwierig, sich in Bezug auf
Dinge sicher zu sein, die im Grunde ohne Belang
sind. Ich liebe Schokolade!«
    »Gut gemacht«, fand Angelo. »Eine Zeit lang habt
Ihr beinahe zusammenhängend gesprochen. Wenn
Ihr auch nichts von besonderem Wert geäußert habt.
    Fühlt Ihr Euch gut?«
»Oh, ich fühle mich immer gut! Wirklich. Ihr habt
ja keine Vorstellung!«
»Könntet Ihr bitte dieses Lächeln einstellen? Es ist
unnatürlich.«
»Für Euch womöglich. Für mich ist die Welt
schön. So groß und wundervoll und voller Freuden!
Nennt mich doch Freude. Ihr habt gerufen, und hier
bin ich. Ihr habt hier viel verändert. Es gefällt mir
nicht. Jemand ist kürzlich hier umgekommen.«
Angelo musterte den Ekstatiker scharf. Er hatte nie
viel Interesse aufgebracht für die extravaganten An
sprüche, die Ekstatiker verfügten über eine besondere
Form der Einsicht, aber diese letzte Bemerkung, so
beiläufig geäußert, war sicherlich beunruhigend. An
gelo entspannte sich mit Bedacht. Der Ekstatiker
konnte verdammt jeden Mist vortragen, den er woll
te. Es war nicht von Belang.
»Der vorherige Patriarch der Kirche, der sehr eh
renwerte Roland Gangwerth, ist zurückgetreten«,
erklärte Angelo rundweg. »Aus gesundheitlichen
Gründen. Er ist fort und wird nie zurückkehren. Des
halb bin ich als Patriarch an seine Stelle getreten. Ich
führe die Kirche des Transzendenten Christus, die
glorreiche Militante Kirche, und diese neue Kirche
hat keinen Platz für Euresgleichen. Für solch … be
tont herausgestellte Maßlosigkeit. Die neue Kirche
dreht sich ganz um Dienst und Loyalität und strenge
Selbstbeherrschung. Ihr tragt nichts dazu bei, unsere
Sache voranzutreiben; Ihr seid unfähig, in dem heili
gen Krieg mitzukämpfen, der uns bevorsteht; und
außerdem bringt Eure bloße Natur die Kirche schon
in Misskredit. Ich verabscheue Euch. Deshalb habe
ich beschlossen, alle Ekstatiker zu exkommunizieren
und die chirurgischen Eingriffe zu verbieten, die
Euch hervorbringen. Ihr seid ausgestoßen; Euch
bleiben Trost und Schutz der Mutter Kirche vorent
halten. Ihr passt nicht zu unserem neuen Image.«
Angelo bemerkte, dass er mehr sagte als geplant
oder nötig, aber dieses gelassene, nie schwankende
Lächeln und der Blick des Ekstatikers hatten etwas
an sich, das ihn anstachelte, nach etwas zu suchen,
womit er diese gelassene Selbstbeherrschung kna
cken konnte. Er wollte dem Ekstatiker wehtun, ihm
Angst machen, ihn dazu bringen, dass er quiekste
und weinte und um Gnade bettelte. Nicht, dass das
irgendeinen Unterschied gemacht hätte!
»Ihr möchtet uns nicht dabeihaben, weil Ihr Euch
nicht erlauben könnt, die Existenz irgendeiner weite
ren Machtbasis in der Kirche zu tolerieren, die sich
Eurem Willen womöglich widersetzt«, stellte Freude
in überraschend vernünftigem Ton fest. »Ich wusste,
dass es dazu kommen würde. Wir alle wussten es.
Deshalb bin ich ja hier.«
»Ihr wusstet es?«, fragte Angelo, der ehrlich er
schrocken war. »Wie ist das möglich? Wer hat geplap
pert? Keiner meiner Leute hätte etwas verraten …«
»Niemand musste es uns verraten«, hielt ihm
Freude entgegen. »Ihr habt noch nie begriffen,

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