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Green, Simon R. - Todtsteltzers Erbe

Green, Simon R. - Todtsteltzers Erbe

Titel: Green, Simon R. - Todtsteltzers Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Todtsteltzers Erbe
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wer
und was wir sind, Angelo Bellini. Was wir sehen und
was wir wissen. Da unsere Körper befreit sind von
den Anforderungen des Hier und Jetzt, steht es unse
rem Verstand frei, durch Vergangenheit, Gegenwart
und Zukunft zu schweifen. Unsere Gedanken sind
von allen Riegeln und Schlössern und den starren
Begrenzungen der Rationalität befreit. Ich blicke
durch Euch hindurch und über Euch hinaus, Angelo,
so deutlich, wie ich auch die technischen Funktionen
Eures Schreibtisches erkenne. Hinter Euch steht der
Durandal, und vor Euch steht der Schrecken. Wir
erkennen ja so viel, wir alle! Gewöhnlich machen
wir uns nur nie die Mühe, es jemandem zu erzählen.
Lichte Menschen wandeln zwischen Euch, unbe
merkt und unbeobachtet, nur auf ihre eigene geheime
Mission bedacht. Es schweben Engel am Himmel
und lauern Dämonen in der Erde. Wir hören lautlose
Stimmen und sehen Dinge, die womöglich nie ge
schehen. Ich habe die Zukunft in die Vergangenheit
zurückpurzeln und die Toten aus ihren Gräbern auf
stehen gesehen. Ich erkenne Eure Aura, und sie ist
wahrhaft scheußlich.«
»Haltet die Klappe!«, verlangte Angelo. »Haltet
verdammt noch mal die Klappe!« Alle Haare auf
Armen und Nacken hatten sich bei ihm aufgerichtet.
Er schwitzte, und dabei fühlten sich die Hände eis
kalt an, als wäre jemand gerade über sein Grab spa
ziert. Er war verängstigt, furchtbar verängstigt, und
kannte nicht mal den Grund. »Ihr seid hier, weil ich
Euch herbefohlen habe, um mir zuzuhören, während
ich rede! Ihr braucht nicht zu sterben. Ihr könnt Euch
wieder unters Messer der Chirurgen legen. Damit wir
eine Steuerung in Eure Köpfe einbauen können. Lebt
im Dienst der neuen Kirche weiter …«
»Nein«, entgegnete Freude in freundlichem Ton.
»Ich denke nicht, dass wir das tun. Wir werden nicht
wieder zu gewöhnlichen Menschen. Lieber sterben
wir.«
»Dann sterbt!«, entgegnete Angelo Bellini gehäs
sig.
Aber noch während seine Hand nach der Steuer
taste auf dem Schreibtisch griff, um die neue
Materiewandlerbombe unter dem Stuhl des
Ekstatikers zu zünden, beugte sich Freude plötzlich
vor, griff unter den Stuhl, riss die Bombe ab und hielt
sie vor sich. Neugierig musterte er sie einen
Augenblick lang, um sie dann über den Schreibtisch
zu werfen, hübsch gezielt, um direkt auf der
Zündtaste zu landen. Angelo kreischte entsetzt auf
und fuhr aus seinem Sessel hoch, um die Bombe mit
beiden Händen zu packen. Rasch entfernte er sich
vom Schreibtisch, legte die Bombe ganz vorsichtig
auf den Boden und wich von ihr zurück, wobei er an
nichts anderes denken konnte als den grausamen Tod
des vorherigen Patriarchen. Er warf sich schwer
atmend herum, war auf einmal überzeugt, Freude
über den Schreibtisch gelehnt zu erblicken, die Hand
über der Zündtaste, aber er entdeckte nirgendwo eine
Spur von dem Ekstatiker. Er war so lautlos
gegangen, wie er gekommen war, während Angelo
zu tun hatte. Wie konnte er nur von der Bombe unter dem Stuhl
wissen? Was weiß er sonst noch und wem erzählt er
es womöglich? Und was der eine Ekstatiker weiß … Angelo lehnte sich über den Schreibtisch und
drückte mit unnötiger Kraft die Taste für den Funk.
»Sicherheit! Ein Ekstatiker läuft frei im Gebäude her
um! Tötet ihn! Schießt ihn sofort nieder, sobald Ihr
ihn erblickt! Und sobald Ihr sicher seid, dass das un
natürliche Ding tot ist, bringt die Leiche in mein Büro,
damit ich mich selbst davon überzeugen kann!«
Die Sicherheitsleute eilten im Laufschritt durch
die Kathedrale, angetrieben von Angelos zunehmend
hysterischen Befehlen, aber der Ekstatiker blieb un
auffindbar. Niemand hatte gesehen, wie er hinaus
ging, aber er tauchte auch auf keinem der Überwa
chungsbildschirme auf. Was eigentlich unmöglich
war. Also setzte sich Angelo erneut an die Funkanla
ge, stellte eine Verbindung zu seinen fanatischeren
Anhängern unter den Neumenschen her und erteilte
persönlich den Tötungsbefehl für alle Ekstatiker. Für
alle Städte auf allen Planeten. Sollten sie ruhig sehen,
was Exkommunikation wirklich bedeutete … Sollten
die Hüter des Rechts ruhig blöken, so viel sie woll
ten; sobald sie in die Gänge kamen, war längst alles
erledigt. Und sollte einer der Meuchelmörder gefasst
werden, na ja, Fanatiker waren schließlich stets
scharf darauf, zu Märtyrern ihrer Sache zu werden …
Als Bewegung waren die Ekstatiker erledigt. Sie
waren schon so gut wie vernichtet. Sie waren Ge
schichte.
Aber irgendwie tröstete das Angelo Bellini

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