Green, Simon R. - Todtsteltzers Erbe
T-Strich genau einschätzen.
Emma Stahl sah flott und modisch und doch ein
wenig glanzvoll aus. Sie trug das glatte schwarze
Haar nach wie vor zu einem praktischen Knoten ge
bunden, aber die kaffeefarbene Haut und ihr zierli
cher Knochenbau verströmten eine Grazie und Wär
me, die nichts mit Künstlichkeit oder Design zu tun
hatte. Anders als gewisse Paragone, die sie mit Na
men nennen konnte. Emma blieb sich treu, was für
Logres mal etwas erfrischend Neues war. In der kur
zen Zeit in der Stadt hatte sie sich schon einen guten
Namen als Diebesfängerin gemacht, indem sie
Schurken und Schleimbeuteln enthusiastisch und
dickköpfig nachsetzte, und die (meisten) Leute fan
den das gut. Und sie sorgten dafür, dass Emma es
auch mitbekam, indem sie immer wieder ihren Na
men brüllten. Sie lächelte und nickte und war be
müht, sich das nicht zu Kopfe steigen zu lassen, ob
wohl das schon eher nach einem Empfang aussah,
wie sie ihn auf Logres immer erwartet hatte.
Finn ignorierte sie nach besten Kräften und kon
zentrierte sich lieber darauf, die Menge zu bezau
bern. Obwohl Emma nicht übersah, dass er erstaun
lich viel Zeit darauf verwandte, die Fenster und Ne
benstraßen beiderseits des Marsches zu mustern. Si
cherlich war es doch wohl noch viel zu früh für Prob
leme, oder? Schließlich patrouillierte eine kleine
Armee von Friedenshütern die Straßen vor ihnen und
suchte gründlich nach jeder Spur von Unruhestiftern
des Höllenfeuerclubs oder des Schattenhofes. Emma
versuchte sich einzureden, dass Finn nur paranoid
war, konnte sich aber nicht verkneifen, verstohlen
selbst das eine oder andere Fenster und die eine oder
andere Nebenstraße forschend ins Auge zu fassen.
Nur zur Sicherheit.
Zwei Straßen weiter lauerten die Elfen. Die Si
cherheitsleute waren schon an ihnen vorbeigekom
men, hatte die Elfen in ihren Verstecken direkt ange
blickt und nichts gesehen. Die Elfen hockten hinter
ihren telepathischen Projektionen in Sicherheit und
warteten auf ihre Beute. Sie genehmigten sich kleine
Häppchen von den fiebrigen Emotionen der Menge,
aber sie hielten keinen Festschmaus. Erfreuliche Ge
fühle stellten sie nicht zufrieden. Sie hatten volle
zwölf Stunden zu früh die Stellungen bezogen, die
Finn ihnen vorgeschlagen hatte, denn sie wollten die
Lage prüfen und sichergehen, dass die Paragone kei
ne unerfreulichen Überraschungen für sie bereithiel
ten. Alles war jedoch so, wie von ihm geschildert.
Keine lauernden Paragone oder Friedenshüter, keine
Soldaten mit ESP-Blockern. Nur eine Folge leerer
Zimmer in etlichen anonymen Bürogebäuden, die
Ausblick auf den Weg der Parade boten – ganz wie
versprochen. Die Elfen brachten jeden um, der sich
in diesen Gebäuden aufhielt, nur um sicherzugehen
und weil es ihnen Spaß machte; anschließend strahl
ten sie unterschwellige telepathische Ausweichbot
schaften aus, damit niemand sonst auf die Idee kam,
diese Häuser zu betreten. Glückliche Schaulustige
drängten sich auf den Straßen draußen, und niemand
von ihnen wusste oder ahnte etwas.
Die Elfen verfolgten hinter den getönten Fenster
scheiben mit, wie die Parade der Paragone näher
rückte, und lächelten giftig. Zweiunddreißig Elfen,
die größte Versammlung abtrünniger Esper seit … na
ja, seit dem Debakel in der Arena; aber der bevorste
hende Triumph würde für all diese Verluste auf
kommen. Die Elfen hatten entschieden, dass Rache
an den Paragonen nicht reichte. Nicht annähernd!
Die Zuschauer und die Stadt mussten ebenfalls lei
den. Zweiunddreißig Espergehirne vermochten ge
meinsam alle möglichen dunklen Wunder zu wirken.
Sie gedachten, schreckliche Dinge anzustellen, ent
setzliche Dinge, blutige Dinge. Und die Medienka
meras, die die Parade filmten, würden alles live ins
entsetzte Imperium senden.
Nichts und niemand sollte verschont werden. Die
Stadt sollte brennen, und die Elfen würden sich daran
nähren, würden hervortreten, in offenem Triumph
durch die Hölle wandeln, die sie selbst geschaffen
hatten, und alle Welt herausfordern, das zu beseiti
gen, was sie angerichtet hatten. Und ehe sie gingen,
gedachten sie alle abgeschlagenen Köpfe einzusam
meln und sie vor dem Haupttor des Parlaments zu
einem blicklos starrenden Berg aufzutürmen, tausend
Köpfe für jeden, den Finn Durandal in der Arena ab
gehackt hatte.
Die Elfen hatten Finn nichts davon erzählt. Sie
planten es als hübsche Überraschung. Ehe sie ihn
zwangen, sich vor laufender Kamera den
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