Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Green, Simon R. - Todtsteltzers Erbe

Green, Simon R. - Todtsteltzers Erbe

Titel: Green, Simon R. - Todtsteltzers Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Todtsteltzers Erbe
Vom Netzwerk:
machte und ihm bedrohlich schien, tat
Brett das, was er immer getan hatte: Er rannte weg.
    »Das funktioniert nicht immer, Brett«, sagte eine
gelassene Frauenstimme direkt neben ihm.
Brett riss den Kopf herum und fuhr vor Schreck
fast aus der Haut, als er eine Brünette von klassischer
Schönheit direkt neben sich auf der Bank erblickte.
Auf keinen Fall konnte sie sich an ihn herangeschli
chen und praktisch auf seinen Schoß gesetzt haben,
ohne dass er es bemerkte. Nicht bei einem so geübten
Paranoiker wie ihm. Aber da saß sie, lebensgroß und
doppelt so umwerfend, angetan von schwarzer Seide
und noch dunklerem Make-up, und sie lächelte ihn
an, als blickte sie bis auf den Grund seiner miesen
verrotteten Seele … und gäbe einen Dreck darauf.
Brett war danach zu wimmern oder ohnmächtig zu
werden. Er lief nicht weg, aber nur deshalb, weil er
genau wusste, dass sie auf ihn warten würde, wohin
immer er lief.
»Die Überseele, vermute ich?«, sagte er schließ
lich, einfach um überhaupt etwas zu sagen. Er musste
die Worte über taube und zitternde Lippen hinaus
zwängen. Die Magenschmerzen waren mit Macht
zurückgekehrt.
»Natürlich«, sagte die Brünette. »Wir rufen schon
seit einiger Zeit nach Euch, aber Ihr wolltet das Ge
spräch gewissermaßen nicht annehmen. Also be
schlossen wir, dass ein persönlicher Besuch angesagt
sei. Ich hatte heute in der Stadt zu tun, also fiel diese
Aufgabe mir zu. Entspannt Euch; ich habe nicht vor,
Euch zwangsweise eine literarische Vorlesung zu
halten. Ich bin Krähenhannie. Ich bin gekommen, um
Euch ein Angebot zu unterbreiten, das Ihr sicher
nicht ablehnen möchtet.«
»Normalerweise ist das meine Masche«, wandte
Brett ein. »Man versuche nie, einen Betrüger über
den Tisch zu ziehen. Ich kenne alle Floskeln. Die
erste Spielregel lautet: Ein Angebot, das zu gut
klingt, um wahr zu sein, ist wahrscheinlich zu gut,
um wahr zu sein. Ihr braucht mich nicht. Ich bin kein
richtiger Esper; Finn hat mich zwangsweise mit der
Esperdroge gefüttert, und jetzt bin ich ein wirklich
unterklassiger Telepath. Betonung auf unterklassig.
Werft mich wieder ins Wasser, Krähenhannie. Ich
bin ein zu kleiner Fisch, um sich die Mühe mit mir
zu machen.«
»Der Überseele sind alle willkommen«, sagte
Krähenhannie. »Wir haben für jeden einen Platz und
eine Aufgabe. Das ist der Sinn dabei. Es ist keine
Gewerkschaft oder sonst eine Organisation. Es ist
eine Familie. Ein Zuhause.«
»Ich komme schon mein Leben lang ganz gut ohne
beides aus. Ich sorge selbst für mich. Das habe ich
schon immer.«
»Das klingt sehr einsam.« Krähenhannie deckte
seine Hand mit ihrer ab. »Ihr braucht nicht mehr al
lein zu sein, Brett. Schließt Euch uns an, und Ihr seid
nie wieder allein.«
»Das klingt ja fürchterlich!«, erwiderte Brett dick
köpfig. »Ich hasse das! Ich bin kein geselliger Typ.
Ich bin kein guter Mannschaftsspieler und war es nie.
Und ich gebe meine Eigenheiten nicht auf.«
»Warum begnügt Ihr Euch mit etwas so Kleinem
und Begrenztem? Ihr könntet Ihr selbst bleiben und
trotzdem ein Teil von uns werden.«
»Klingt nach Überfüllung«, fand Brett. »Falls ich
mich zur Überseele hinzugesellte, müsste ich mit al
len meinen Geheimnissen herausrücken, nicht
wahr?«
»Wir verbergen nichts voreinander«, erklärte Krä
henhannie. »Das brauchen wir auch nicht.«
»Ich sagte Euch ja, dass wir nichts gemeinsam ha
ben. Seht mal: Ich würde wirklich nicht dazupassen.
Glaubt mir! Ich bin ein Einzelgänger, nicht dazu ge
schaffen, mit dem Rudel zu laufen, und es gefällt mir
so. Ich weiß gern Dinge, von denen niemand sonst
eine Ahnung hat, und bin anderen gern einen Schritt
voraus. Ihr könnt mich nicht gegen meinen Willen
zwingen, mich Euch anzuschließen, nicht wahr?«
»Nein«, bestätigte Krähenhannie seufzend. »Und
wir täten es auch dann nicht, wenn wir dazu fähig
wären. Das ist ja der Punkt. Ihr werdet große Ein
samkeit erleben, Brett, wenn Ihr unter Menschen zu
leben versucht, ohne selbst noch einer von ihnen zu
sein. Esper erfahren untereinander eine Nähe, die
niemand sonst begreifen könnte. Verspürt Ihr nie ein
Bedürfnis nach Liebe oder Gesellschaft, nach Zärt
lichkeit und Angenommensein?«
»Ich wüsste damit nichts anzufangen, selbst wenn
ich es erlebte«, stellte Brett forsch fest. »Lasst Euch
nicht aufhalten. Ich bin sicher, dass Aufgaben auf
Euch warten, die mehr Sinn ergeben.«
Krähenhannie tätschelte ihm traurig

Weitere Kostenlose Bücher