Green, Simon R. - Todtsteltzers Erbe
erkannte
er dann, wie er ihn am besten manipulierte, ihm Stück
für Stück die Macht und seine Leute raubte, ohne dass
Finn es bemerkte. Und dann … dann …
Und so plauderte er lässig mit Finn, pries ihn,
schmeichelte ihm, ohne dabei zu dick aufzutragen,
schwatzte unterhaltsam und bissig über gemeinsame
Bekannte und gab ganz generell sein Bestes, damit
sich Finn öffnete und von sich selbst erzählte. Es war
eine schwere Aufgabe, aber Angelo blieb hartnäckig.
Er hatte das Gefühl, dass er aus diesem Tag noch et
was für sich schlagen musste, seinem Stolz zuliebe.
Aber erst, als sie auf Finns lange Karriere als Para
gon zu sprechen kamen, rückte der Durandal mit den
ersten Informationen über sein tatsächliches Selbst
heraus.
»Warum habt Ihr so lange als Paragon gearbei
tet?«, fragte Angelo sorgsam lässig. Er empfand
nachdrücklich, dass er damit die entscheidende Frage
gestellt hatte und die Antwort viel erklären konnte.
»Es ist natürlich ein ehrenhafter Beruf, in dem ein
vernünftiger Mensch gutes Geld verdient. Aber es ist
keine erfreuliche Arbeit und keine Karriere für den
wahrhaft Ehrgeizigen. Also … warum hat es so lange
gedauert, bis Ihr Euch Eurer wahren Berufung zuge
wendet habt?«
»Ich war … zufrieden, ein Paragon zu sein«, ant
wortete Finn. »Dabei konnte ich vor den Augen des
gesamten Imperiums beweisen, dass ich der Beste
war. Und ich habe es sehr genossen, verehrt und an
gebetet zu werden und die Bewunderung und den
Respekt meiner Kollegen zu erleben. Was diese Ar
beit jedoch an Lohn mit sich brachte, das erwies sich
als immer schaler, je älter ich wurde. Ich hatte schon
so viel Geld, wie ich je brauchen werde. Und mir
gingen die interessanten Aufgaben aus. Es hat ein
fach … keinen Spaß mehr gemacht. Egal wie viele
Risiken ich einging. Inzwischen macht es viel mehr
Spaß … ein Verräter und Schurke zu sein. Mich ge
gen das ganze verdammte Imperium zu stellen, mein
eigener Herr zu sein und alle anderen zum Teufel zu
wünschen … Das ist die wirkliche Bedeutung davon,
der Beste zu sein. Ich hätte es schon vor Jahren tun
sollen. Erst Douglas’ mangelnde Dankbarkeit hat mir
die Augen für das wahre Wesen der Dinge geöffnet,
und ich werde ihn dafür belohnen. Indem ich ihm
alles raube, woraus er sich etwas macht, was ihm et
was bedeutet, und es vor seinen Augen zerstöre. Ah,
Angelo: so lebendig habe ich mich seit Jahren nicht
mehr gefühlt!«
Jemand klopfte kurz an die Tür, und Angelo fluch
te leise vor sich hin, als Brett Ohnesorg hereinge
latscht kam. Ohnesorg nickte Angelo zu und verneig
te sich vor Finn. Es gefiel ihm nicht wirklich, zu ei
ner solchen Tageszeit schon munter sein zu müssen,
aber ihm blieb darin wie in jüngst so vielen Dingen
keine andere Wahl. Er musterte Finn zweifelnd. Der
Durandal hatte verlangt, dass er hier erschien, aber
keinen Grund dafür genannt, was nie ein gutes Zei
chen war. Brett fiel nichts ein, was er in jüngster Zeit
ernsthaft verpfuscht haben könnte, aber … Er hatte
solche Magenschmerzen, dass er alle seine Kräfte
aufwenden musste, um sich nicht zusammenzu
krümmen. Er trug neue Sachen, denn die alten, die er
zum Besuch bei den Spinnenharfen getragen hatte,
hatte er des eigenen Seelenfriedens halber verbren
nen müssen; trotzdem wirkte er unordentlich, nicht
zuletzt, weil er bei Licht schlafen musste und nach
wie vor bei plötzlichen Geräuschen und Bewegungen
schnell mal zusammenzuckte. Die Überesper hatten
ihn auf einer Ebene beunruhigt, von deren Existenz
er gar nichts geahnt hatte.
»Ihr habt gefälligst draußen zu warten, bis ich
Euch zum Eintreten auffordere!«, raunzte Angelo,
bemüht, auf eigenem Territorium einen Rest Autori
tät zu wahren.
Brett schniefte und zuckte die Achseln und zwang
Angelo aus schierer Gehässigkeit mit Hilfe seiner ESP,
leicht zusammenzufahren und zu zucken. Finn muster
te Brett nachdenklich, und dieser hörte sofort auf.
»Wo bleibt Rose?«, wollte Finn wissen.
»Ich habe keine Ahnung«, sagte Brett und blickte
sich unbestimmt im Büro um, als glaubte er, sie ver
steckte sich hier irgendwo. »Ich dachte, sie wäre bei
Euch.«
»Das ist sie eindeutig nicht. Ich hatte Euch ange
wiesen, sie im Auge zu behalten, Brett! Ich bin si
cher, dass ich in diesem Punkt sehr bestimmt war.«
»Ach, kommt schon, Finn!«, protestierte Brett mit
dem unvermittelten Mut eines Mannes, der den Hen
kersblock in naher Zukunft voraussieht. »Wir spre
chen
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