Green, Simon R. - Todtsteltzers Erbe
wollten an ihren Helden glauben, ihren Wunder
wirker, den Durandal.
Die Antworten auf all das lagen irgendwo im Slum
verborgen; davon war Emma überzeugt. Sie hatte
sich inzwischen mehrfach einen Weg hinein er
kämpft, aber niemanden überreden können, ihr etwas
über Finn Durandal zu erzählen. Nicht mal in den
allgemeinsten Begriffen. Und das an einem Ort, wo
angeblich alles und speziell Informationen stets käuf
lich waren! Die meisten Leute hatten anscheinend zu
viel Angst, selbst wenn Emma ihnen die Schwert
schneide an die zitternden Hälse hielt. Weder mit
Bestechung noch mit Brutalität hatte sie irgendetwas
erreicht, und offen gesagt hatte sie keine Ahnung,
welche dritte Möglichkeit sich ihr geboten hätte. Die
Menschen nahmen lieber Reißaus, als über Finn Du
randal auch nur zu sprechen; und was sagte das über
dessen wahres Wesen aus? Und ungeachtet all ihrer
harten Arbeit hatte Emma im Grunde nichts weiter in
der Hand als Verdachtsmomente und die sich festi
gende Überzeugung, dass Finn Durandal nicht die
legendäre Gestalt war, an die sie und alle Welt ge
glaubt hatten; und möglicherweise war er es nie ge
wesen …
Und selbst wenn sie Beweise ausgraben konnte –
wem sollte sie sie vorlegen? Wer würde ihr glauben?
Finn war der Held des Tages, und das in einer Zeit,
in der die Menschheit verzweifelt an Helden glauben
wollte. Schlimm genug, dass der Todtsteltzer sie im
Stich gelassen hatte; wenn Emma jetzt verlangte, den
Durandal als unehrlich zu betrachten, würde man ihr
schon aus Gründen des Selbstschutzes nur ins Ge
sicht lachen. Nicht mal mit ihren Paragon-Kollegen
konnte Emma darüber reden. Nicht nachdem Finn sie
alle vor den Elfen gerettet hatte. Finn war jetzt der
Champion und einer der wichtigsten und meistres
pektierten Menschen des Imperiums. Was umso
dringlicher machte, dass Emma zu einer Entschei
dung gelangte. Falls Finn wirklich so gefährlich war,
wie sie dachte und glaubte, dann musste sie schnell
jemanden überzeugen, der wichtig war. Jemanden,
der wichtig und tapfer genug war, um es mit dem
angebeteten Durandal aufzunehmen, solange noch
Zeit war. Irgendjemand musste schließlich den Kö
nig vor seinem eigenen Champion beschützen; wer
hätte es denn einfacher gehabt, den König umzubrin
gen, als sein persönlicher Leibwächter? Falls Finn zu
dem Entschluss gelangte, dass er selbst König wer
den wollte … falls das schon die ganze Zeit sein Plan
war …
Emma knurrte aus Frustration laut und schleuderte
den Eisbeutel durchs Zimmer. Jahrelang hatte sie da
von geträumt, als Paragon nach Logres zu gehen, um
an der Seite ihres Helden, ihrer Inspirationsquelle
Finn Durandal zu arbeiten; und jetzt hatte sich dieser
Traum in einen Albtraum verwandelt. Sie stand al
lein … wie der Todtsteltzer. Und falls sie nicht ganz
vorsichtig war, sah auch sie sich womöglich von
Finns Seite mit dem Vorwurf des Verrats konfron
tiert, genau wie Lewis …
Bei Hofe saß Douglas Feldglöck allein in seinem lu
xuriösen Privatquartier zusammengesunken in sei
nem Lieblingssessel und starrte ins Leere. Er hielt
ein Brandyglas in der Hand, hatte jedoch noch nicht
registriert, dass es schon seit einiger Zeit leer war.
Gerade hatte man ihm die Nachricht überbracht, dass
Lewis Todtsteltzer Jesamine Blume aus dem Blut
turm befreit hatte und beide jetzt irgendwo in der
Stadt auf der Flucht waren. Douglas hatte mit Wut
reagiert, hatte gebrüllt und geflucht und mit Gegens
tänden um sich geworfen, weil das von ihm erwartet
wurde; insgeheim jedoch empfand er Erleichterung.
Er hatte Jes extra deshalb im Verräterflügel unterge
bracht und nicht in einem üblichen Gefängnis, damit
Lewis sie leichter befreien konnte. Er hatte auch ar
rangiert, dass Jes’ Fanclubs erfuhren, wo man sie
festhielt, damit sie auch auf jeden Fall in großer Zahl
vor dem Turm protestierten, um die Wachen abzu
lenken. Douglas wollte schließlich nicht, dass Lewis
oder Jes ums Leben kamen. Selbst nach allem, was
sie getan hatten, bedeuteten sie ihm noch etwas. Er
hatte auch nicht gewollt, dass Wachleute umkamen,
aber wie es schien, hatte viele trotzdem dieses
Schicksal ereilt, während sie den Turm verteidigten
… Und Meldungen gingen ein, denen zufolge Lewis
unerwartet Hilfe erhalten hatte – durch den alten
Freund und Ratgeber William Feldglöcks, Samuel
Sparren. Was zum Teufel hatte das nun zu bedeuten?
Warum übte ausgerechnet Samuel Sparren offen
Verrat? Douglas hatte
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