Green, Simon R. - Todtsteltzers Erbe
Maßnahmen griff, die
ein bisschen extrem waren.
Lewis hatte sich nie für würdig erachtet, Champi
on zu werden. Oft fühlte er sich nicht mal würdig,
den legendären Namen der Todtsteltzers zu tragen.
Er war ja nicht mal ein direkter Nachfahre. Die di
rekte Linie war mit David auf Virimonde ausgestor
ben. Technisch galt Owen noch immer als im Einsatz
vermisst … aber nach zweihundert Jahren glaubten
nur die wahrhaft Frommen noch, dass er eines Tages
zurückkehrte. Solcherart war jedoch das Empfinden
der Öffentlichkeit, dass König Robert einen Seiten
zweig beförderte und zu Todtsteltzers erhob. Und
einfach jeder aus dieser Familie wurde Paragon. Le
wis hatte sich von Kindesbeinen an nie etwas anderes
gewünscht. Der Tag, an dem er Virimonde als Para
gon des Planeten verließ, um zur Bestätigung im
Amt nach Logres zu reisen, war der glücklichste und
stolzeste seines bisherigen Lebens.
Und doch war das nichts, was er für den Rest sei
nes Lebens zu tun gedachte. Die Arbeit des Paragons
war die Arbeit eines jungen Mannes ohne Frau oder
Familie, die trauerte, wenn er eines Tages nicht nach
Hause kam. Viele Paragone kamen jung ums Leben.
Finn war in den frühen Fünfzigern, der älteste noch
dienende Paragon aller Zeiten, und Lewis fragte sich
wirklich, wie es dazu gekommen war. Sicherlich war
das eine Arbeit, die sich zu tun lohnte. Eine notwen
dige Arbeit mit reichlich Lohn. Trotzdem stiegen die
meisten Paragone in den Dreißigern aus, um Medien
stars zu werden, reiche Leute, die sich ihre Aufgaben
selbst suchen konnten. Finn jedoch machte einfach
weiter.
Es war nicht leicht, Finn Durandal zu verstehen.
Er gab selten Interviews, selbst für die eigenen Web
sites, und wenn er es doch mal tat, hatte er selten viel
zu sagen, nur das übliche Zeug über Gerechtigkeit
und welche Ehre es war, als Paragon zu dienen. Und
obwohl man nicht bestreiten konnte, dass er es ge
noss, die Schurken zu erledigen, reichte das als Mo
tiv sicher nicht aus, um so lange in einem so gefähr
lichen Beruf zu bleiben. Welche Art Mensch zog
diese Arbeit dem Trost von Frau und Kindern, Fami
lie und Heim vor? Frauen hatte es in Finns Leben
genug gegeben; in den Klatschmagazinen tauchte er
fortwährend in Begleitung irgendeiner neuen Schön
heit auf. Keine von ihnen schien jedoch lange dabei
zubleiben.
»Warum?«, fragte Lewis unvermittelt, und Finn
drehte sich zu ihm um. Er schien nicht überrascht.
»Jeder stellt mir irgendwann diese Frage. Und du
hast damit länger gewartet als die meisten. Also …
Zum Teil, weil es immer nur mich gab. Keine Fami
lie, keine große Liebe. Niemand, der sich je genug
aus mir gemacht hätte, um an meiner Seite zu blei
ben. Ich schätze, ich kann einfach nicht gut mit Men
schen umgehen. Und auch … weil ich gut bin. Nie
mand tut diese Arbeit besser als ich. Der größte Pa
ragon aller Zeiten. Mehr Auszeichnungen, mehr Be
lobigungen, mehr tote Schurken auf dem Konto als
jeder andere. Und jetzt werde ich auch noch Cham
pion. Nicht nur Beschützer eines einzelnen Planeten,
sondern des ganzen Imperiums. Eines Tages zeigen
sie mein Bild auf einem von den Fenstern hier. Mein
Name wird sogar deinen in den Schatten stellen.«
»Ich freue mich«, sagte Lewis. »Wirklich. Du hast
es verdient.«
»Ja«, bestätigte Finn, »das habe ich.« Er blickte
nach wie vor auf die Buntglasfenster. »Ich habe ei
nen Helden unter den Vorfahren. Lord Durandal. Die
Familiengeschichte strotzt von Aufzeichnungen sei
ner Heldentaten. Große Abenteuer, erstaunliche Ta
ten. Aber niemand sonst erinnert sich heute noch an
ihn. Kein Buntglasfenster für meinen Ahnen. Er fuhr
schließlich in die Dunkelwüste hinaus, wurde vom
Imperator auf die Suche nach dem verlorenen Haden
und dem Dunkelwüsten-Projektor geschickt. Er ist
nie zurückgekehrt. Niemand weiß, was aus ihm ge
worden ist. Er scheiterte auf seiner Suche und wurde
vergessen. Das ist eine wertvolle Lektion, Lewis.«
Stürzt du dich deshalb immer wieder in die
Schlacht?, fragte sich Lewis. Weil du nicht den An
schein erwecken möchtest zu scheitern? Sei es auch
nur, indem du in den Ruhestand trittst?
Laut sagte er: »Ich wusste gar nicht, dass deine
Familie Lordrang hatte.«
»Heutzutage ist es nicht klug, das zu erwähnen«,
sagte Finn achselzuckend. »Ich kann nicht behaup
ten, dass ich dem Adel eine Träne nachweine. Ich bin
lieber Paragon. Man könnte sagen, wir wären die
neue Aristokratie, reich und mächtig und um
schwärmt;
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