Green, Simon R. - Todtsteltzers Erbe
ruhig
alles und geh damit zur Hölle, Süße. Ich bin von je
her sehr offen, was mein Leben angeht. Tatsächlich
wird wohl die Hälfte aller Klatschmagazine über
Nacht Pleite gehen, sobald ich erst mal Königin und
langweilig monogam geworden bin.«
»Geh lieber nicht davon aus«, sagte Anne. »Die
Öffentlichkeit begeistert sich für jede Kleinigkeit im
Leben der Königsfamilie. Die Magazine werden et
was anderes finden, worüber sie sich austoben kön
nen – zum Beispiel, ob du nun schwanger bist oder
einfach Gewicht zugelegt hast. Mir fällt auf, dass du
meine Frage noch nicht beantwortet hast …«
»Nein, da ist niemand Besonderes«, erwiderte Je
samine mit einer Spur Schärfe. »Du weißt sehr gut,
dass es nie jemand Besonderen gegeben hat. Die
meisten Menschen sind einfach zu sehr eingeschüch
tert, wenn sie mit mir zu tun haben. Hoffentlich wird
das bei Douglas kein Problem sein. Und was ist mit
ihm? Werfe ich irgend jemanden aus seinem Bett?«
»Niemanden von Bedeutung«, antwortete Anne
lebhaft. »Douglas suchte sich Frauen vor allem da
nach aus, wie sehr sich sein Vater über die Wahl är
gerte. Keine tragfähige Basis für eine starke Bezie
hung … Und außerdem kann es wirklich schwierig
sein, mit ihm klarzukommen. Verstehe mich nicht
falsch! Er ist recht liebenswert, sogar charmant,
wenn er sich Mühe gibt. Aber er ist auch halsstarrig
wie ein Maultier und lässt sich ungern sagen, was er
tun soll, selbst wenn der Vorschlag eindeutig in sei
nem Interesse liegt.«
Jesamine schlug die Hände zusammen. »Wir wer
den miteinander auskommen wie ein brennendes
Haus, das weiß ich einfach! Uns verbindet so viel!«
Sie lachten gemeinsam, tranken Tee und zankten
sich freundschaftlich um die letzten Schokoladenkekse.
»Ich vermute, ich muss die Tourneen und Auffüh
rungen komplett aufgeben, wenn ich erst mal Köni
gin bin?«, fragte Jesamine abschließend.
»Eindeutig. Vielleicht können wir später etwas ar
rangieren, falls es dir wirklich ein Bedürfnis ist, aber
zunächst musst du dich auf die Würde deiner neuen
Rolle konzentrieren. Wir müssen dich auf Distanz zu
den … frivolen Aspekten deines früheren Lebens
bringen. Ich denke, du wirst feststellen, dass es etwas
ganz anderes ist, Königin zu sein, statt nur eine zu
spielen. Nicht zuletzt, weil du nicht einfach damit
aufhörst, sobald der Abend vorbei ist.«
»Oh Darling, vertraue mir, das macht es doch so
reizvoll! Als Königin erhalte ich endlich Gelegen
heit, mit meinem Leben etwas anzufangen! Ich weiß,
dass ich bislang stets eine ausgeprägt frivole Person
war, immer nur feiern und einkaufen bis zum Kol
laps – und ich habe jede einzelne Minute genossen!
In jüngster Vergangenheit habe ich allerdings immer
stärker das Bedürfnis, etwas zu erreichen! Etwas Re
ales. Etwas von Bestand. Ich habe das entsetzliche
Gefühl, erwachsen zu werden.
Und ich bin es leid, andere Menschen zu spielen.
Ein Star zu sein. Es geht immer so … auf und ab,
und die Öffentlichkeit, zur Hölle mit ihren nieder
trächtigen schwarzen kleinen Herzen, kann so
furchtbar grausam sein mit ihren Modewellen. Ich
musste mich schon so oft neu erfinden, dass ich den
Überblick verloren habe. Wenn ich Königin bin, ent
scheide ich, was in Mode ist, und ich sorge dafür,
dass mich alle dafür lieben!«
»Das ist die richtige Einstellung«, sagte Anne.
»Du bist die geborene Königin, Jes. Du hast von je
her die erste Regel des Königseins verstanden: Dass
sie dich lieben, heißt nicht, dass du sie auch lieben
musst. Anders als die meisten Zeitgenossen hast du
es nie zu ernst genommen, ein Star zu sein.«
»Na ja, kann man mir daraus einen Vorwurf ma
chen? Wenn alles leicht von der Hand geht, wie kann
man ihm dann Wert beimessen? Wenn alle Welt dich
bewundert, ohne dich wirklich zu kennen, wie kannst
du es dann ernst nehmen? Der Mensch, den sie lie
ben, existiert nicht wirklich, ist nur eine auf der Büh
ne erschaffene Illusion, sechs Tage die Woche und
samstags zweimal. Gott, wie ich Matineen hasse! Ich
bin es leid, mich hinter Perücken und Make-up und
anderer Leute Charakteren zu verstecken. Als Köni
gin werde ich ganz ich selbst sein. Sollen sie zur
Abwechslung mal mein richtiges Selbst bewundern.
Ich habe es verdient.«
»Verdammt!«, sagte Anne mit breitem Lächeln.
»Das Imperium wird gar nicht wissen, was ihm wi
derfährt!«
»So«, sagte Jesamine, setzte die Teetasse ab und
bedachte Anne mit strenger Miene. »Wann treffe
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