Green, Simon R. - Todtsteltzers Erbe
verglichen mit den Kräften des Bösen in der Zeit des
legendären Owen Todtsteltzer. Alle wussten das.
»Ich schließe jetzt mit der traditionellen Warnung
des Königs an das Volk«, fuhr William streng fort.
»Hüten wir uns alle vor der Ankunft des Schreckens!
Halten wir uns bereit, gegen das abschließende Böse
zu kämpfen, wie es Owen Todtsteltzer über seinen
Freund und Gefährten, Kapitän Johann Schwejksam,
ankündigte. Bereiten wir die Streitkräfte der
Menschheit vor, damit wir in der Stunde der größten
Gefahr nicht gewogen und zu leicht befunden wer
den! Lasst uns das Licht verteidigen!
In Owens Namen!«
»In Owens Namen!«, rief die Menge wie mit einer
einzigen gewaltigen Stimme. Hier fanden sich die
Menschen auf festerem Grund wieder, obwohl nie
mand die uralte zeremonielle Warnung allzu ernst
nahm. Es war zweihundert Jahre her, dass Owen sei
ne Warnung an Schwejksam übermittelt hatte, um
dann aus der Geschichte zu verschwinden und in das
Reich der Legenden überzuwechseln, vermutlich, um
auf die Jagd nach dem Schrecken zu gehen. Alle
Welt erwies der Warnung natürlich Lippenbekennt
nisse, aber niemand glaubte, dass der Schrecken –
was immer das sein sollte – zu seinen Lebzeiten auf
treten würde. Das Jüngste Gericht würde immer nur
anderer Leute Problem sein. Auf dem Podium drehte
sich William um und verneigte sich vor dem Dritten
Thron, der etwas abseits stand und auf Owen wartete,
sollte er jemals zurückkehren; und alle anderen ver
neigten sich ebenfalls. Die Rituale mussten befolgt
werden. Dazu waren Rituale schließlich da.
Nur ein Mann in der Menge wusste, dass Owen
niemals zurückkehren würde. Weil er allein wusste,
dass Owen Todtsteltzer tot war.
William wandte sich seinem Sohn Douglas zu, der
vor ihm niederkniete. Das Orchester spielte leise.
Holografische Tauben flogen über die Szene hinweg.
Der Patriarch der Kirche des Transzendenten Chris
tus trat vor; er wirkte sehr jung, aber jeden Zoll so
ernst und würdig, wie es der Anlass forderte. Er sag
te all die richtigen Worte in der richtigen Reihenfol
ge, und vielleicht waren ihm nur William und Doug
las nahe genug, um zu sehen, dass die Augen des
Patriarchen den Ausdruck eines Tieres zeigten, das
von den Scheinwerfern eines näher kommenden
Fahrzeugs gebannt wurde. Trotzdem gelang es ihm,
das komplette Ritual zu absolvieren, ohne einmal ins
Stottern zu geraten, wobei ihm die gelassenen Mie
nen und das Lächeln des alten und neuen Königs hal
fen, und seine Hände waren ganz ruhig, als er die
Krone schließlich von William entgegennahm und
sie Douglas aufs Haupt setzte.
Die Menge tobte, als sich König Douglas erhob.
Die Menschen brüllten und klatschten und stampf
ten mit den Füßen, und sogar die Roboter und die
Fremdwesen taten ihr Bestes, um der Atmosphäre
des Augenblicks teilhaftig zu werden. Die offiziel
len Medienkameras sendeten das alles live aus re
spektvoller Distanz, und im ganzen Imperium, auf
Tausenden von Planeten, drückten und küssten sich
die Menschen und feierten zu Ehren des neuen Kö
nigs auf den Straßen. Eine große Zeit stand bevor!
Sie spürten es. Und Brett Ohnesorg, der ganz zufäl
lig in die vorderste Reihe der Zuschauer geraten war
und sich nicht mit den übrigen Kellnern hatte zu
rückziehen können (Planung ist alles), fing alles mit
seinem Kameraauge ein. Und er konnte keinen an
deren Gedanken hegen als: Ich werde reich! Reich!
Reich!
König Douglas blickte über die Menge hinweg
und lächelte und nickte und wartete geduldig darauf,
dass sich der Tumult legte, damit er seine Krönungs
rede halten konnte.
Erneut hatte Anne Spitzenarbeit abgeliefert. Doug
las sagte all die richtigen Dinge mit satter und be
fehlsgewohnter und sehr huldvoller Stimme, wie
man ihn geschult hatte, und versprach dem Hof und
dem Parlament und dem ganzen Publikum genau das,
was alle hören wollten. Alles würde weitergehen wie
bislang, nur besser. Er würde als König seine Pflicht
tun und sein Volk in Frieden und Wohlstand leiten.
Und er liebte sie alle von ganzem Herzen. Dann ver
kündete er seine bevorstehende Hochzeit mit Jesami
ne Blume, und die Menge raste aufs Neue.
Der bewunderte Paragon und die angebetete Diva;
welch strahlenderes, güldeneres Paar hätte das Impe
rium durchs goldene Zeitalter geleiten können? Le
wis half Jesamine aufs Podium, und dort stellten sie
und Douglas sich gemeinsam vor ihre Thronsitze,
strahlten und winkten der Menge glücklich zu,
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