Green, Simon R. - Todtsteltzers Erbe
glänzenden blauen
Kopf zu und sah ihn zum ersten Mal direkt an. »Ja.
Wir sollten später darüber reden.«
»Ja«, bekräftigte Finn, »das sollten wir.«
Derweil hatte sich ein Stück zurück entlang der er
sten Reihe inzwischen Jesamine Blume zu Lewis
Todtsteltzer gesellt. Alle gaben sich größte Mühe,
ihnen viel Platz zu gewähren. Zum Teil, weil Jesa
mine sie mit ihrem unwiderstehlichen Lächeln darum
gebeten hatte, und zum Teil, weil niemand den Todt
steltzer verärgern wollte, der, was deutlich gesagt
werden musste, eindeutig nervös wirkte. Jesamine
blickte zu den Buntglasfenstern hinüber und gab ein
Seufzen von sich, das ihre halb freiliegenden Brüste
sehr vorteilhaft zur Geltung brachte.
»Eines Tages, Lewis, wird man auch mich dort
oben erblicken. Ein Heiligenbild aus Buntglas, aus
eigenem Recht. Ganz wie Euer Ahne.«
»Ihr seid im Grunde keine Legende, Jes«, sagte
Lewis.
»Das ist nur eine Frage der Zeit, Darling«, fand
Jesamine. »Nur eine Frage der Zeit.«
»Wir werden etwas gegen Euer Bescheidenheits
problem unternehmen müssen«, fand Lewis.
Zur größten Eifersucht aller Personen ihrer Umge
bung schwatzten sie weiter, als plötzlich das Orches
ter eine aufrüttelnde Fanfare anstimmte und König
William aufs Podium trat, wo er in seinem königli
chen Gewand eine wahrhaft fürstliche Erscheinung
machte. Die Krone wirkte zwar zu groß für sein
Haupt, aber das war bei Kronen gewöhnlich der Fall.
Das Orchester spielte die Imperiale Hymne, und alle
Welt sang aus vollem Halse mit, während überall am
Hofe holografisches Feuerwerk aufstieg. Der Klang
und die Farben und generell die sinnliche Wucht der
Inszenierung waren nahezu überwältigend, ganz wie
geplant. Als der donnernde Schlussakkord der Hymne
verklang jubelte und applaudierte die Menge, wohl
wissend, dass sie Anteil nahm an einem Ereignis von
historischer Tragweite. Prinz Douglas, jetzt kein Pa
ragon mehr, trat neben seinen Vater und König und
trug jetzt endlich doch seine königlichen Gewänder.
Er hielt sich gut und war ganz der angehende König.
König William hielt seine Abschiedsrede. Es war
eine gute Rede, fanden später alle Zuhörer, die beste,
die Anne jemals verfasst hatte, und William legte
alles hinein, was er hatte. Sein Blick war streng, der
Ton schwer von Majestät. Es war eine Ironie, dass er
am Tage seines Thronverzichts das Amt besser ver
körperte als je zuvor. Manche Zuhörer weinten un
verhohlen über den anstehenden Verlust, über den
Abschied eines Menschen und einer Zeit, die nun für
immer Geschichte war. Was immer auch geschehen
würde – alles würde anders werden.
Die Rede enthielt keinerlei kontroverse Punkte,
außer vielleicht zum Ende hin. William nahm mit
den eigenen Händen die Krone ab und blickte lange
schweigend auf sie hinab. Die Menge war mucks
mäuschenstill. William blickte über sie hinweg, seine
Miene schließlich doch müde und vielleicht ein biss
chen grimmig.
»Ich habe den Vorsitz über ein goldenes Zeitalter
geführt«, sagte er, und alle Welt hing an seinen Lip
pen. »Und ich verfüge über ausreichend gesunden
Menschenverstand, um zu wissen, dass von mir nicht
viel verlangt wurde, außer vielleicht als Fürsorger.
Um zu bewahren, was mir mein Vater hinterlassen
hatte. Um die Krone mit Würde zu tragen, meine
Pflicht zu tun und für mein Volk zu sorgen und mich
nicht in die Alltagsgeschäfte einzumischen. Denn ich
weiß von jeher, dass goldene Zeitalter nicht von Be
stand sind. Dass man letztlich, um sie zu bewahren,
für sie kämpfen muss. Deshalb bestand ich darauf,
dass meinem Sohn die Ausbildung zum Paragon ges
tattet wurde, auf dass er in der wirklichen Welt Wur
zeln schlage, ehe er den Thron bestieg. Der König, der
an meine Stelle tritt, weiß, was es bedeutet, gegen das
Böse zu kämpfen. Es ist meine tiefste Hoffnung, dass
das Imperium keinen Kriegerkönig benötigen wird.
Sollte ein Kriegerkönig jedoch gebraucht werden, um
das Imperium in der Stunde der Not zu bewahren,
dann habe ich alles in meinen Kräften Stehende getan,
um sicherzustellen, dass es den König und Beschüt
zer haben wird, den es verdient.«
Ein unsicheres Murmeln lief durch die Menge, als
er eine Pause einlegte. Ja, man traf nach wie vor
Feinde an, die bekämpft werden mussten, wie die
Elfen gerade am heutigen Tag in der Arena demonst
riert hatten. Allerdings waren die Feinde des jetzigen
Imperiums gering an Zahl und kläglichen Zuschnitts,
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