Green, Simon R. - Todtsteltzers Rückkehr
Hand, die Emma je gesehen
hatte. Die Reporterin lächelte strahlend.
»Aber wirklich, Ihr habt doch nicht erwartet, ich
würde den Slum unbewaffnet aufsuchen, oder, Darling? Mein Großonkel Flynn hat diese Knarre zu Zeiten der Großen Rebellion gefunden. Er war damals
auch im Nachrichtengeschäft und hielt stets große
Stücke auf eine angemessene Vorbereitung. Soll ich
noch mehr von denen erschießen?«
Der geplante Hinterhalt löste sich schon durch das
Loch in der Wand auf, und die Gauner prügelten sich
darum, als Erster hindurchzukommen. Man bezahlte
ihnen nicht genug, um sich einer solchen Wumme zu
stellen. Emma hätte sich die Nachzügler schnappen
können, erblickte jedoch keinen Sinn darin. Sie
wussten sicher nichts. Finn hatte sie auf jeden Fall
über eine ganze Reihe von Mittelsmännern angeworben. Sie drehte sich zu Nina um, die ihre überformatige Pistole gerade wieder in der Umhängetasche
verstaute, und schenkte ihr zum ersten Mal ein Lächeln.
»Nina, wie würde Euch das Exklusivrecht gefallen, mir täglich auf Streife zu folgen?«
»Mensch, echt? Eine ganze Serie unter meinem
Namen? Ich könnte aus eigener Kraft Erfolg haben?«
Sie brach unvermittelt ab und betrachtete Emma.
»Wo ist der Haken?«
»Der Haken ist, dass Ihr Euch wahrscheinlich um
Kopf und Kragen bringt, wenn Ihr mich begleitet.
Aber falls Ihr dabei seid, verspreche ich Euch Exklusivstorys, wie sie noch niemand gesehen hat.«
»Wir werden Partnerinnen sein? Kampfgefährtinnen? Beste Freundinnen?« Nina umarmte Emma heftig. »Oh, Mammi wird so stolz sein!«
Im Parlament saß König Douglas schlaff auf seinem
Thron und hörte den lustlosen Debatten gar nicht
richtig zu. Niemandem fiel sein mangelndes Interesse auf, oder falls doch, dann war es ihm egal. Der
Parlamentspräsident war übergangen worden, hatte
keine Bedeutung mehr, und alle wussten es. Hinter
seiner gleichgültigen Fassade dachte Douglas jedoch
gründlich nach. Er plante insgeheim, wie er die
Macht denen wieder entreißen konnte, die sie usurpiert hatten. Er konnte nicht viel aus eigener Kraft
tun, also brauchte er Bundesgenossen. Sein erster
Gedanke war es, sich an die alten Kameraden, die
Paragone zu wenden, aber die meisten waren noch
im ganzen Imperium verstreut und beteiligten sich an
der großen Suche. Und die wenigen, die zurückgekehrt waren, hatten sich … verändert. Waren ihm
fremd geworden. Sie zeigten sich nicht daran interessiert, die alten Pflichten aufzugreifen, und ganz generell war ihr Verhalten schockierend. Was war mit
ihnen dort draußen in der Dunkelheit geschehen?
Douglas konnte nicht umhin, sich zu fragen, ob das
Unvermögen, den seligen Owen zu finden, in irgendeiner Weise ihre Persönlichkeit zerstört hatte.
Den meisten Abgeordneten traute er nicht mehr
über den Weg. Die Esper hatten sich in die schwebende Stadt Neue Hoffnung zurückgezogen und die
Riegel vorgeschoben, und Shub – ging wie immer
seiner eigenen Wege. Die wenigen Menschen, die er
als Freunde betrachtet hatte, hatten ihn entweder verraten oder waren auf Distanz zu jemandem gegangen, in dem alle Welt einen Gebrochenen zu erkennen glaubte. Dem König zu nahe zu stehen, das lief
heutzutage in Politik und Gesellschaft auf einen Todeskuss hinaus. Somit blieben nur die Klone und die
Fremdwesen. Die Klone jedoch steckten mit Finn
unter einer Decke, und die Fremdwesen hatte ihre
eigenen Probleme. Der König war isoliert.
Große Sorgen bereitete ihm auch, dass er bislang
nichts weiter von seinem Vater gehört hatte. Niemand erhielt derzeit Zugang zu Haus Feldglöck, erst
recht nicht er selbst. Finn versprach den Medien immer wieder die umfassende Geschichte von Williams
Verrat, aber er zeigte keinerlei Eile. Niemand hatte
Haus Feldglöck seit Finns Überfall von innen gesehen. Die anhaltende Stille brachte Douglas beinahe
um den Verstand, aber er verbarg es nach außen. Er
arbeitete einfach beharrlich an seinem Plan, in Haus
Feldglöck einzubrechen, den Vater zu retten und irgendwo in Sicherheit zu bringen. Falls er nur lange
genug die Nerven behielt. Und falls sein Vater noch
lebte …
Auf einmal bemerkte Douglas, dass Meerah Puri
ihn direkt vom Parkett aus ansprach und in die Debatte einzubeziehen versuchte. Douglas ließ sich absichtlich noch ein bisschen mehr hängen und nickte
ihr vage zu. Meerah Puri gehörte zu den wenigen Politikern im Parlament, die er noch zu schätzen wusste, und er zweifelte nicht an ihren guten Absichten,
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