Green, Simon R. - Todtsteltzers Rückkehr
einen Stadtteil vorgedrungen, der offiziell nicht existiert. Hier werden die
meisten Verbrechen, die in dieser Stadt passieren,
geplant und finanziert. Hier treiben sich die wirklich
wilden Tiere herum. Also haltet Euch eng an mich,
tut alles, was ich sage und wann ich es sage und versucht um Gottes willen nicht, mit irgendjemandem
ein Interview zu führen! Hier hat man es nicht gern,
wenn jemand Fragen stellt.«
»Wie findet Ihr dann etwas heraus?«, wollte Nina
wissen.
»Meist prügele ich es aus den Leuten heraus. Nun
hat einer meiner zuverlässigeren Informanten mir die
Nachricht geschickt, dass einer der führenden Provokateure sich mit seinem geheimen Auftraggeber
trifft. Der Provokateur droht anscheinend, sich an die
Öffentlichkeit zu wenden, falls er nicht mehr Geld
bekommt. Der Auftraggeber erscheint gewöhnlich
nicht mehr persönlich im Slum, also könnte sich uns
hier die letzte Chance bieten, ihn festzunageln. Und
falls er sich als derjenige entpuppt, mit dem ich rechne, könnt Ihr mit der Exklusivstory Eures Lebens
rechnen.«
Nina quiekte vor Aufregung laut in Emmas Ohr,
und Emma zuckte zusammen. Sie wollte derzeit noch
nicht den Namen Durandal erwähnen. Nicht, ehe sie
ihn auf frischer Tat ertappte. Aber sollte er wirklich
so dumm sein und sich persönlich mit einer seiner
Kreaturen treffen, dann müsste eine Livesendung
davon aus dem Herzen des berüchtigten Slums endlich reichen, um ernste Zweifel an seinem NetterJunge-Image zu wecken. Was Emma brauchte, das
waren solide Beweise gegen Finn, oder kein Vorwurf
blieb an ihm haften. Ein bloßes Treffen mit einem
Provokateur reichte nicht. Da redete er sich womöglich heraus. Sie brauchte Aufnahmen davon, wie die
beiden über das sprachen, was sie zusammen geplant
und durchgeführt hatten – was immer das gewesen
sein mochte. Emma seufzte. Vielleicht hatte sie ja
richtig Glück und der Durandal belastete sich erst
selbst und schoss dann den Provokateur nieder, um
ihn zum Schweigen zu bringen. Aus einem live gesendeten, kaltblütigen Mord musste er sich erst mal
herausreden!
»Macht es Euch etwas aus, falls ich ein paar weitere
Fragen stelle? Nur bis wir dort ankommen?«, fragte
Nina auf ihre typische offene, glückliche Art, die deutlich machte, dass nur ein Mord sie aufhalten konnte.
»Ich meine, die Menschen wissen nach wie vor nur
wenig von Euch, Emma. Habt Ihr zum Beispiel einen
festen Freund? Welches ist Euer Lieblingsrezept?
Möchtet Ihr irgendwelche speziellen Make-up-Tipps
mit unseren Zuschauerinnen teilen? Ihr seid schließlich
eine Modeikone, selbst wenn es ein ziemlich … strenger Look ist. Wie ist es, eine Frau und ein Paragon zu
sein? Was tut Ihr zum Zeitvertreib?«
Zum Glück erreichten sie den angegebenen Treffpunkt, ehe Emma entschied, dass sie Nina tatsächlich
zum Schweigen bringen musste. Sie lenkte den Gravoschlitten zu einem schattigen Platz an einer besonders verwahrlosten und unterbeleuchteten Straße.
Alles war ruhig hier und niemand ließ sich blicken,
beides sehr verdächtige Umstände. Normalerweise
ging im Slum Tag und Nacht immer irgendwas vor.
Emma hatte schon beim Landeanflug die fraglichen
Fenster und Dächer nach Heckenschützen abgesucht,
aber es konnte nicht schaden, das noch einmal zu
tun. Nichts war zu sehen, aber die ganze Situation
wirkte unnatürlich. Nina stieg behutsam vom Schlitten und gab einen hohen Laut des Kummers von
sich, als sie bemerkte, worin sie gerade getreten war.
»Oh Gott, Darling, das ist ja widerlich! Diese ganze Gegend müsste mal ausgeräuchert werden. Mit
einem Flammenwerfer. Ich weiß einfach, dass ich
mir hier etwas einfange, das ich meinem Arzt kaum
werde erklären können. Ehrlich, es riecht, als wäre
hier etwas gestorben. Ganz kürzlich erst. Obwohl ich
zugegeben schon absolut horrende Eintrittsgebühren
in angeblich modische Klubs gezahlt habe, in denen
es noch schlimmer roch. Aber wenigstens fand man
dort eine Theke …«
»Still!«, verlangte Emma. Sie war tiefer in den
Slum vorgestoßen, als ihr das gewöhnlich recht war,
seit sie sich nicht mehr auf Unterstützung durch die
Friedenshüter verlassen konnte, aber die Erzählung
des Informanten hatte einfach zu verlockend geklungen. Selbst wenn der Durandal nicht auftauchte,
musste der Provokateur alle möglichen nützlichen
Dinge wissen und, man konnte ihn, davon war sie
überzeugt, dazu überreden, dass er sie ihr mitteilte.
Auch wenn die Überredung aus
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