Green, Simon R. - Todtsteltzers Rückkehr
hat man Leute, die nicht bereit sind, etwas in
Ruhe zu lassen. Bestimmte wirtschaftliche Interessengruppen versuchen ständig, hier Fuß zu fassen,
legal oder illegal. Sie möchten die Produktion mechanisieren, um die Produktivität zu steigern. Sie
möchten Labors einrichten, um unsere Ernte in Medikamente zu verwandeln. Sie würden, falls sie
könnten, diesen Planeten ausplündern, nur um die
Habgier ihrer Kunden zu befriedigen. Sie hören, wir
hätten keine Waffen und keine Armee, und halten
uns demnach für schutzlos. Dummköpfe! Der
Dschungel ist unsere Waffe und die einzige Abwehreinrichtung, die wir brauchen. Das Rote Hirn
gibt auf uns Acht. Und natürlich Tobias Mond.«
»Worin besteht die Beziehung zwischen dem Roten Hirn und Tobias Mond?«, erkundigte sich Lewis,
auf einen beiläufigen Ton bedacht. Er lauerte schon
einige Zeit auf eine Gelegenheit, das Gespräch in
diese Richtung zu lenken, und versuchte dabei, nicht
übertrieben neugierig zu erscheinen. Er musste erfahren, womit er es hier zu tun hatte, falls schließlich
der Zeitpunkt kam, sich Tobias Mond zu stellen.
»Sie existieren in einer perfekten Symbiose«, antwortete Hellen lässig. »Genau wie wir mit unseren
Städten. Das Rote Hirn befleißigt sich der ganz großen Perspektive, blickt in die liefe und die Breite,
während Mond sich um die alltäglichen Bedürfnisse
und Probleme derer kümmert, die hier leben und arbeiten. Falls Ihr möchtet, könnt Ihr das Rote Hirn als
unseren Gott und Tobias Mond als seinen Propheten
betrachten.«
»Nein«, sagte Jesamine. »Ich denke nicht, dass mir
diese Vorstellung gefällt.«
Hellen lachte. »Es ist nur eine Metapher. Sorgt
Euch nicht; unser Gott verlangt keine Opfer. Es sei
denn, die Ernte fällt einmal wirklich schlecht aus.
Ein Witz! Versucht … Euch das Rote Hirn als eine
riesige Lektronenanlage vorzustellen und Mond als
ihren Programmierer. Hilft das weiter?«
»Nur ein bisschen«, sagte Lewis.
Rose und Brett hingen ein Stück weit zurück, damit sie leise miteinander reden konnten. Lewis und
Jesamine waren eindeutig entzückt von den vielfältigen Freuden der Missionsstadt, und das bereitete
Brett Sorgen. Nach seiner Erfahrung war das hübscheste Angesicht stets die Maske der größten Gefahr, und das Messer wurde einem stets dann in den
Rücken gestoßen, wenn man am wenigsten damit
rechnete. Er konnte einfach nicht das Gefühl abschütteln, dass sie hier unbekümmert in eine sorgsam
getarnte Falle spazierten. Er murmelte Rose diesen
Verdacht zu, und sie nickte.
»Scheußlicher Ort. Von Unkraut überwuchert. Das
ist keine Art zu leben für Menschen. Keine Aktion,
keine Aufgaben. Ein Haufen verdammter Baumküsser!« Rose schniefte laut. »In Harmonie mit der Natur leben, ach du meine Güte! Die Natur beißt einem
den Hintern ab, sobald sie dazu auch nur den Hauch
einer Chance erhält. Man muss sie zähmen, regulieren, niederstampfen. Der Dschungel ist ehrlicher als
diese Siedlung. Echte Natur, das heißt töten oder getötet werden, und sie ist rot in Zahn und Klaue. War
schon immer so. Der Todtsteltzer sollte sich lieber
zusammenreißen und die Augen offen halten, oder
wir enden noch alle als Dünger für deren mächtige
Gottpflanze!«
»Danke, vielen Dank«, sagte Brett düster. »Jetzt
fühle ich mich noch schlechter, falls das möglich
war. « Er sah sich unglücklich um. »Das hier ist auch
nicht mein Geschmack. Nichts, das sich zu stehlen
lohnte, niemand über den Tisch zu ziehen … angeblich findet man hier Wurzeln und Kraut, wofür Dr.
Glücklich und andere seines Schlages gutes Geld
hinlegen, aber ich könnte das Zeug ums Leben
nicht aus diesem Durcheinander heraussuchen. Und
wie soll man Leute bestechen, damit sie Informationen liefern, wenn sie schon im Paradies zu leben
glauben, diese Idioten? Gott, für einen Drink würde
ich einen Mord begehen! Hier geht es viel zu gesund für meinesgleichen zu. Ich möchte nach Hause.«
»Falls sich das hier als Falle entpuppt«, sagte Rose
verträumt, »dann wette ich, dass diese Stadt richtig
gut brennen würde …«
»Ich hoffe wirklich, Ihr erkennt, ein wie seltener
Glücksfall Tobias Monds Einverständnis ist, Euch zu
treffen«, sagte Hellen Adair gerade zu Lewis. »Ich
glaube sogar, dass er seit fast hundertfünfzig Jahren
keinen Außerplanetaren mehr gesehen hat. Sobald
die Legenden erst mal zirkulierten, erlebten wir hier
eine Menge Touristen. Man hatte Mond ohne seine
Einwilligung zu
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