Gregor Bd. 5 - Gregor und das Schwert des Kriegers
hochgehalten, dass Gregor sich niemals Gedanken darüber gemacht hatte, ob ihr Verfasser ein guter oder ein schlechter Mensch gewesen war. Aber jetzt wusste er es. Unter der Federführung eines Mannes, der eine ganze Art ausrotten wollte, um ein Stück Land zu erobern, hatte Gregor alles riskiert. Und er trug das Schwert dieses Mannes.
»Nicht gut«, sagte Gregor.
»Es ist grauenhaft. Es ist eine Schande, die wir nie wiedergutmachen konnten«, sagte Vikus.
»Und jetzt?«, fragte Gregor.
»Jetzt müssen wir dafür bezahlen«, sagte Vikus. »Denn es ist nur eine Frage der Zeit, bis die verbliebenen Wühler sich zum Palast hindurchgraben. Und der Fluch wird ihnen folgen.«
15. Kapitel
G regor wusste, dass er sich bei diesen Worten eigentlich hätte aufraffen müssen. Trotz seiner Verletzung müsste er sich zusammenreißen und auf den Kampf vorbereiten. In diesem Moment könnten sich die Maulwürfe schon bis in die Arena durchgraben, wo sich die Mäuseflüchtlinge erholten, oder ins Spielzimmer oder auch in sein Krankenzimmer. Eine Rattenarmee würde ihnen folgen und alle im Palast töten. Dann musste er vorbereitet sein. Warum versuchte er nicht, sich zu bewegen?
Er konnte es auf die Betäubung schieben oder auf die Verletzung oder die pure Erschöpfung, aber es gab noch etwas anderes, das für Gregor ganz neu war. Seit seiner Ankunft im Unterland hatte er immer in dem Bewusstsein gekämpft, auf der richtigen Seite zu stehen. Als er die Ameisen daran hindern wollte, das Heilmittel gegen die Pest zu zerstören, als er sich und seine Freunde im Dschungel gegen die Schlangen verteidigt hatte, als er versucht hatte, die Mäuse von den Ratten zu befreien. Diesmal jedoch fühlte er sich nicht im Recht. Zwar hatte er vor ein paarStunden noch nicht wissen können, wer die Maulwürfe waren und was für eine Geschichte sie hatten. Er hatte den Wirbelangriff aus reiner Notwehr gestartet. Doch jetzt waren sie alle tot. Und wenn es stimmte, was Vikus erzählt hatte, dann waren die Maulwürfe im Recht gewesen. Regalia war ihr Land. Die Menschen waren Eindringlinge, die sie mit üblen Mitteln besiegt hatten. Schlimmer noch war, dass die Maulwürfe Gregor gar nicht sofort angegriffen hatten. Sie hatten ihm immerhin die Chance gegeben, zu sagen, auf welcher Seite er stand. Und er stand auf der Seite der Menschen. Es war ein schreckliches Gefühl, auf der falschen Seite zu stehen. Nicht im Kampf gegen die Ratten – es war richtig, zu versuchen, die Mäuse zu retten, da war er sich nach allem, was er in den Feuerländern mit angesehen hatte, immer noch sicher –, aber im Kampf gegen die Maulwürfe. Und wer wusste schon, was für Geschichten die Ratten erzählen könnten, um ihr Verhalten zu rechtfertigen? Ratten und Menschen kämpften schon so lange gegeneinander, die Liste der Gräueltaten auf beiden Seiten war haarsträubend. Gregor hatte immer das Gefühl gehabt, darüberzustehen, bis er die Maulwürfe getötet hatte.
Als eine Krankenschwester mit einem Schmerzmittel hereinkam, schluckte Gregor es nur zu gern. Es war vor allem der Schmerz in seinem Innern, den er betäuben wollte.
Doch das Vergessen, das die Medikamente ihm schenkten, war nicht von Dauer. Als er das nächste Mal erwachte, waren in seinem Zimmer lauter Pritschen mit verbundenen Menschen und Fledermäusen. Obwohl Gregor als Krieger eine besondere Stellung hatte, wurde er ermutigt, das Krankenhaus zu verlassen, wenn er sich dazu in der Lage fühlte. Er war froh darüber, gehenzu können; die Schmerzenslaute und das Blut waren im Moment zu viel für ihn. Außerdem wollte er noch einmal ins Codezimmer und nachsehen, ob es dort Fortschritte gab. Wenn so viele verwundet waren, musste sich die Lage deutlich verschärft haben. Sie mussten den Code bald knacken, sonst waren sie alle zum Tode verurteilt.
Gregor stützte sich an den Wänden ab, während er durch die Flure hinunter ins Codezimmer ging. Bestimmt würde Lizzie dort sein und Boots hoffentlich auch. Jetzt war er froh darüber, dass seine Mutter an den Quell verlegt worden war. Immerhin ein Familienmitglied weniger, das er aus Regalia hinausschaffen musste.
Er kam nur langsam voran. Jeder Winkel des Palastes schien voller Leute zu sein. Nicht alle waren verwundete Soldaten. Ganze Familien kampierten, wo gerade Platz war. Aus Gesprächsfetzen erfuhr Gregor, dass die Ratten sich durch die Tunnel, die von den Wühlern angelegt worden waren, auf die Felder vorgekämpft hatten. Jetzt standen sie vor den
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