Gregor Bd. 5 - Gregor und das Schwert des Kriegers
Pest, oder?«, fragte Gregor den Arzt.
»Nein, es ist eine Infektion der Lunge. Ich glaube, im Überland nennt ihr es Lungenentzündung«, sagte der Arzt.
»Aber wenn sie gesund genug wäre, um zu reisen, könnte sie nach Hause?«, fragte Gregor.
»Ja, aber sie kann jetzt auf keinen Fall reisen«, sagte der Arzt.
Gregor streichelte ihr die Wange. »Keine Sorge, es wird schon alles gut. Alles wird gut.« Er wusste nicht, ob sie ihn überhaupt verstand.
Draußen vorm Zimmer nahm der Arzt Gregor beiseite und sprach im Flüsterton. Erst dachte Gregor, es sei aus Rücksicht auf seine Mutter, aber dann wurde ihm klar, dass der Arzt von niemandem gehört werden wollte. »Krieger, wenn es meineMutter wäre, würde ich alles Menschenmögliche tun, um sie zurück ins Überland zu bringen. In euren Krankenhäusern kann sie genauso gut behandelt werden wie bei uns. Und wenn der Krieg ausbricht, könnte der Palast angegriffen werden. Vielleicht muss man sie sogar an den Quell verlegen.«
»Aber Sie haben doch gesagt, sie dürfte nicht reisen«, sagte Gregor.
»Weil ich das sagen muss. Und es stimmt auch. In Zeiten des Friedens«, sagte der Arzt. »Aber jetzt musst du abwägen, wie groß die Gefahr ist, wenn du sie im Krieg hierlässt.« Er schaute sich nervös um. »Bitte behalte meinen Rat für dich.« Dann eilte er davon.
Einen Moment lang war Gregor hin- und hergerissen zwischen seinem Wunsch, in die Feuerländer zu fliegen, und dem Bedürfnis, seine Mutter in Sicherheit zu bringen. Seine Mutter gewann. Seine Freunde im Feuerland hatten einander und eine ganze Armee hinter sich. Seine Mutter hatte niemanden außer ihm.
Gregor verließ das Krankenhaus, ohne sich die Erlaubnis zu holen, und traf Vikus in einem Raum neben der Hohen Halle. »Wann schickst du meinem Vater wieder eine Botschaft?«, fragte er.
»Das hatte ich soeben vor, Gregor. Soll ich noch etwas hinzufügen?«, sagte Vikus.
»Ja«, sagte Gregor. »Meine Mutter.«
Vikus rieb sich die Augen. »Das habe ich versucht, Gregor. Schon drei Mal. Jedes Mal hat der Rat meine Anfrage abschlägig beschieden.«
Gregor wusste, dass Vikus seine Mutter nicht gegen den erklärten Willen des Rats weglassen konnte. Trotzdem war er frustriert, weil Vikus sich dem Rat immer wieder beugte. »Sie kann aber nicht hierbleiben, wenn Krieg ist. Was machen wir, wenn die Ratten den Palast angreifen? Dann müsst ihr sie sowieso verlegen.« Gregor dachte, so viel könnte er wohl sagen, ohne den Arzt in Schwierigkeiten zu bringen.
»Das gab ich auch zu bedenken«, sagte Vikus. »Doch der Rat will nichts davon hören. Sie wollen sie nicht gehen lassen. Meine Frau hat sie davon überzeugt, dass deine Mutter zu schwach für eine solche Reise ist.«
Plötzlich begriff Gregor, was für ein Spiel da gespielt wurde. »Hier geht es gar nicht um ihre Gesundheit. Es geht um mich. Mich wollt ihr nicht weglassen«, sagte er. Solovet hielt seine Mutter als Geisel gefangen. Sie wusste genau, dass Gregor niemals ohne seine Mutter gehen würde.
Vikus’ Schweigen war Antwort genug.
»Dann sag dem Rat, sie sollen zusehen, dass meine Mutter überlebt. Wenn sie stirbt, habt ihr einen Krieger verloren!«, sagte Gregor.
»Möchtest du wirklich, dass ich das sage?«, fragte Vikus.
»Wieso nicht?«, sagte Gregor.
»Es bringt dir nichts ein und du gibst viel damit preis«, sagte Vikus. »Ich für meinen Teil halte es für klüger, gewisse Gedanken für mich zu behalten, bis sie mir zum Vorteil gereichen können.«
Vikus hatte recht. Die Ärzte im Krankenhaus würden alles tun, um seine Mutter wieder gesund zu machen. Wenn Gregor den Ratsmitgliedern jetzt drohte, weckte er damit nur ihr Misstrauen, während er doch eigentlich so tun wollte, als wäre er fügsam. »Ich verstehe, was du meinst«, sagte er. »Danke.« Wenigstens passte Vikus immer noch auf ihn auf.
Er ging wieder in Richtung Krankenhaus, voller Angst um seine Mutter. Konnte er sie allein mitnehmen? Nein, dafür war sie viel zu krank. Er bräuchte ein ganzes Ärzteteam. Wenn sie nach Hause käme, müsste sie sofort ins Krankenhaus, und dann würde die Fragerei losgehen. Trotzdem wäre Gregor lieber das Risiko eingegangen, dass sein Vater und Mrs Cormaci sich abwegige Ausreden einfallen lassen müssten, als dass seine Mutter im Krieg hier unten war.
Aber all das war müßig, weil Solovet seine Mutter nicht weglassen würde, solange Gregor für sie nützlich war. Plötzlich hatte er eine Stimme aus der Vergangenheit im Kopf: »Ich
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