Gregor und der Fluch des Unterlandes
Sorge, ich werde an deiner Seite sein«, sagte Ripred. Während er seinen Plan ausarbeitete, lief er auf und ab. »Pass auf, wir machen es morgen, wenn du zum Unterricht kommst. Bring dein Schwert mit«, sagte er. »Und zu niemandem ein Wort!«
Das gefiel Gregor nicht. »Nicht mal zu Vikus?«, fragte er. Vikus war der Vorsitzende des Rats von Regalia und der Großvater von Gregors Freundin Luxa, der Königin von Regalia. Vor allem aber war er einer der wenigen Unterländer, von denen Gregor wusste, dass sie um ihn besorgt waren.
»Vikus schon gar nicht. Er wäre außer sich, wenn er wüsste, dass ich den Fluch hierhergebracht habe. Der Rat möchte ja nicht mal mich hier haben. Wenn du Vikus irgendwas erzählst, wird er sich verpflichtet fühlen, den Rat zu informieren. Wir können mit ihm praktisch nichts mehr anfangen: Er macht sich solche Vorwürfe, weil seine Frau in die Entwicklung der Pestviren verstrickt war«, sagte Ripred. »Also morgen, selbe Zeit, selber Ort. Du bringst dein Schwert mit, und dann wird der Fluch beseitigt.«
Gregor presste die Lippen zusammen. Es hatte keinen Sinn, mit Ripred zu streiten. Offenbar war er schon länger davon überzeugt, dass sie den Fluch töten mussten. Gregor wollte lieber nicht widersprechen, bevor er nicht einen Plan hatte. Denn er war ganz und gar nicht damit einverstanden, sich mit Ripred heimlich in einer Höhle zu treffen und den Fluch zu ermorden.
»Bis dann«, sagte Gregor.
»Ich bin froh, dass du es verstehst, Gregor. Wir haben einfach keine Wahl.« Mit diesen Worten verschwand Ripred in der Dunkelheit.
Langsam begab Gregor sich wieder nach Regalia. In seinem Kopf war ein einziges Durcheinander.
»Überländer!« Die Stimme ließ Gregor aufhorchen. Er war automatisch in Richtung Krankenhaus gegangen. Vor dem Zimmer, in dem Gregors Mutter lag, stand Howard. Immer, wenn Gregor ihn sah, musste er daran denken, wie er vor der Pest gewesen war, gesund und kräftig und mit glatter Haut. Es war jetzt mehrere Monate her, dass Howard dem Tod entronnen war, und er wog noch immer zehn Kilo weniger als vorher. Die roten Narben auf seiner Haut würden bleiben, auch wenn die Ärzte zuversichtlich waren, dass sie ein wenig verblassen würden.
Durch die Krankheit waren Howards Lebenspläne völlig durcheinandergeraten. Er arbeitete jetzt im Krankenhaus, das noch immer überfüllt war mit Pestpatienten, und machte eine Ausbildung zum Arzt. Howard war jung und stark,er hatte sich schneller erholt als die meisten anderen. Viele kämpften noch immer gegen die Krankheit, wie auch Gregors Mutter, und ihnen half Howard.
»Überländer, wir haben eine Überraschung für dich!«, sagte Howard.
»Hoffentlich eine schöne«, sagte Gregor und dachte, dass die schreckliche Überraschung, die Ripred ihm bereitet hatte, für heute genügte.
»Komm und sieh selbst«, sagte Howard und winkte ihn ins Zimmer.
Und da saß Gregors Mutter auf einem Stuhl. Ein Grinsen breitete sich auf Gregors Gesicht aus. »Wieso bist du denn auf?«
»Ich? Ich bin schon seit sechs Uhr auf den Beinen. Hab mir erst ein großes Frühstück gemacht, dann einen Ausflug auf einer Fledermaus, und jetzt überlege ich, wie man das Zimmer hier umräumen könnte. Die Einrichtung langweilt mich allmählich«, sagte sie.
Gregor lachte. Natürlich hatte sie nichts dergleichen getan. Es war das erste Mal seit ihrer Erkrankung, dass sie überhaupt aufgestanden war. »Vielleicht verschiebst du das mit dem Umräumen lieber auf morgen.«
»Ja, in der Tat, Sie sollten sich jetzt wieder hinlegen«, sagte Howard. »Wir wollen es am ersten Tag nicht gleich übertreiben.« Er wollte ihr helfen.
»Nein, Howard, ich möchte es erst selbst versuchen«, sagte Gregors Mutter. Entschlossen stellte sie sich auf dieFüße. Das Bett war gerade mal fünf Schritte entfernt, aber sie schaffte es nur ganz knapp. Im letzten Moment brach sie auf dem Bett zusammen.
Schnell halfen Howard und Gregor ihr, sich hinzulegen. »Das war schon ganz hervorragend«, sagte Howard ermutigend. »Jeden Tag ein wenig mehr, und im Nu sind Sie wieder bei Kräften. Jetzt muss ich meine Runde mit den Medikamenten machen.«
»Howard ist wirklich ein guter Junge«, sagte Gregors Mutter, als er gegangen war.
»Er ist der beste«, sagte Gregor.
»Er wird bestimmt ein guter Arzt«, sagte sie. »Vielleicht wirst du ja auch mal Arzt.«
Gregor nickte, aber der Gedanke, er könnte Arzt werden, war ihm noch nie gekommen. Eigentlich hatte er noch überhaupt keine
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