Gregor und der Spiegel der Wahrheit
Seite bog, hatte Gregor immer noch keinen Muskel bewegt. »Ripred, ich brauche Hilfe«, sagte er schwach.
»Du scheinst aber ganz gut zurechtzukommen«, sagte die Ratte.
»Ich hab es nicht im Griff«, sagte Gregor. »Dass ich ein Wüter bin!« Er riss den Arm hoch, und Ripred wich dem Frosch an der Schwertspitze aus.
»He! Pass auf, wo du mit dem Ding herumfuchtelst!«, sagte Ripred. »Mach den Frosch los. Komm schon, reib das Schwert an dem Felsen dort ab.« Gregor zog die Schwertspitze über den Felsen und kratzte den kleinen toten Frosch ab. »Und nun wasch es im Wasser ab«, sagte Ripred. Gregor hielt das Schwert in den nächstgelegenen Fluss. »Jetzt steck das Schwert wieder ein, aber denk dran, dass es immer noch giftig sein könnte. Also überleg es dir gut, bevor du es ziehst«, sagte Ripred.
Gregor steckte das Schwert wieder in die Scheide. »Woher weiß ich, wann ich es ziehe? Es passiert, ohne dass ich es plane!«, sagte er erregt.
»Ich weiß, ich weiß. Beruhig dich mal. Ein Wüter hält sich zunächst für geisteskrank. So ist es mir auch ergangen. Je häufiger es passiert, desto mehr gewöhnt man sich daran«, sagte Ripred.
»Aber ich weiß nicht, wann es passiert!« Gregor schrie es fast. Hörte Ripred ihm gar nicht zu?
»Doch, das weißt du. Du spürst es im Blut, dein Blickfeld verändert sich, alles wird schärfer und alles Unwichtige wird ausgeblendet. Merkst du das?«, sagte Ripred.
Gregor nickte. »Manchmal. Als Ares und ich im Irrgarten gegen ein paar Ratten gekämpft haben, wusste ich, dass es passierte.«
»Na also. Das ist gut. Immerhin ein Anfang. Wenn du in Gefahr bist und merkst, dass jemand dich angreifen könnte, sei auf der Hut. Eines Tages wirst du in der Lage sein, es ein- und auszuschalten. Aber das dauert«, sagte Ripred.
»Wie lange hast du gebraucht?«, fragte Gregor.
»Das kann man nicht vergleichen. Ich habe so oft gekämpft. Ich hatte mehr Gelegenheit, es beherrschen zu lernen«, sagte Ripred.
»Wie lange?«, fragte Gregor wieder.
»Ein paar Jahre«, sagte Ripred.
Ein paar Jahre! Und das, wo Ripred wahrscheinlich fast jeden Tag kämpfte! Gregor schüttelte den Kopf und fühlte sich jetzt schon mutlos.
»Es ist nicht so schlecht, Gregor. Glaub mir, manchmal wirst du es als Geschenk betrachten«, sagte Ripred.
»Ich will dieses Geschenk aber nicht haben, Ripred«, sagte Gregor.
»Tja, du hast es aber«, sagte Ripred. »Und jetzt komm, bevor deine Schwester sich noch mehr Freunde sucht.«
Als Gregor Ripred zurück durch den Dschungel folgte, ging ihm auf, wie freundlich Ripred gewesen war. Sonst zog er Gregor immer auf oder ärgerte ihn. Aber Ripred schien zu wissen, wann er ihn piesacken konnte und wann er tatsächlich Hilfe brauchte. Wie damals, als Gregor über Ticks Tod geweint hatte. Oder als er versucht hatte, Ripred zu erzählen, wie er Boots an die Riesenschlangen verloren hatte. Und jetzt wieder.
Ein Stück hinter den Froschfelsen gesellten sie sich zu den anderen auf dem Weg. Gregor war unangenehm berührt, als würden ihn alle anstarren. Vor allem Hamnets Blick wollte er nicht begegnen.
»Spring ihm nicht gleich an die Gurgel, Hamnet«, sagte Ripred. »Er konnte nichts dafür.«
»Das habe ich gesehen, aber das ist nicht gerade beruhigend«, sagte Hamnet.
»Na, immerhin lebt Lapblood noch und kann auf unserer Seite kämpfen«, sagte Ripred.
Gregor wusste, dass er Lapblood eigentlich dafür danken müsste, dass sie Boots das Leben gerettet hatte, aber da sich die Ratten so feindselig benahmen, ließ er es bleiben.
Boots war immer noch ganz aus dem Häuschen wegen der Begegnung mit den Fröschen, sie hüpfte herum und quakte.
»Sie sagt, dass ihr zu Hause die gleichen Frösche habt. Und dass sie in ihrem Bett schlafen«, sagte Hazard zu Gregor.
»Die sind aber nicht echt, Hazard. Es ist nur Spielzeug«, sagte Gregor.
»Eigenartige Spielsachen habt ihr bei euch im Überland«, sagte Hamnet.
Das musste ihnen tatsächlich merkwürdig vorkommen – dass man etwas so Gefährliches als Spielzeug benutzte und ein kleines Kind damit ermutigte, solch einen Frosch anzufassen. Allerdings hüpften die Pfeilgiftfrösche auch nicht gerade über den Broadway.
»Was haben wir verloren?«, fragte Ripred.
»Unseren gesamten Proviant, fürchte ich«, sagte Hamnet. »Die Frösche haben sich auf den Rucksäcken getummelt. Es ist zu gefährlich, sie zu berühren, geschweige denn, davon zu essen. Doch Nike hat das Wasser. Und Frill konnte deine Rucksäcke
Weitere Kostenlose Bücher