Gregor und der Spiegel der Wahrheit
ihnen.
»Ist das Essen?«, fragte Mange.
»Nicht direkt. Man kaut es, aber man schluckt es nicht runter«, sagte Gregor.
»Wozu soll das gut sein?«, fragte Lapblood.
Wozu war Kaugummi gut? »Ich weiß nicht … Es schmeckt gut. Wollt ihr jetzt eins oder nicht?«, sagte Gregor.
Es gab fünf einzeln verpackte Kaugummis. Die Kinder hatten gerade gegessen, und Temp kam einen Monat ohne Nahrung aus. Nike und Frill konnten unterwegs genügend Insekten fangen. Blieben also noch Gregor, Hamnet und die Ratten.
»Passt genau, für jeden eins«, sagte Gregor. Er warf den Ratten und Hamnet je ein Kaugummi zu. »Nur kauen, denkt dran. Nicht runterschlucken.«
Er schälte sein Kaugummi aus dem Alupapier und steckte es in den Mund. Der Zuckerschub war großartig. Er sah, dass die anderen ihn beobachteten. »Na los! Probiert es mal!«
Langsam packte Hamnet sein Kaugummi aus und roch daran. Dann nahm er es vorsichtig in den Mund und fing an zu kauen. Verblüffung spiegelte sich auf seinem Gesicht. »Es ist sehr süß … und es wird nicht weniger, wenn man es kaut.«
»Nein, es ist Gummi. Man kann tagelang auf demselben Stück rumkauen. Wahrscheinlich sogar Jahre!«, sagte Gregor.
Dann steckten die Ratten eine nach der anderen ihr Kaugummi in den Mund – sie machten sich noch nicht mal die Mühe, das Papier zu entfernen. Gregor musste sich auf die Lippe beißen, um nicht laut loszulachen, als sie den Kiefer auf- und zuklappten und zu begreifen versuchten, was das sollte.
Von Ripred war ein leises Würgen zu hören. »Oh. Ich hab meins runtergeschluckt.«
»Macht nichts, da passiert nichts«, sagte Gregor.
»Ich weiß nicht, wohin meins verschwunden ist«, sagte Mange. Er fuhr sich mit der Zunge im Maul herum. »Einfach weg.« Er riss das Maul weit auf und Gregor sah, dass der Kaugummiklumpen zwischen zwei der langen Zähne stecken geblieben war.
Lapblood schien als Einzige von den Ratten die Kunstdes Kaugummikauens zu beherrschen. »Es ist nicht übel. Nicht so gut wie Nagen, aber wenigstens haben die Zähne etwas zu tun.«
»Und sonst kann man damit nichts anfangen?«, fragte Hamnet. Er nahm sein Kaugummi aus dem Mund und betrachtete es eingehend.
»Doch«, sagte Gregor. Er machte eine Blase und ließ sie mit einem lauten Knall zerplatzen. Alle zuckten zusammen.
»Lass das! Wir sind so schon nervös genug«, sagte Ripred.
»He, ich hab doch nur eine Frage beantwortet«, sagte Gregor.
Als sie weiterzogen, wurde sein Verlangen nach etwas Essbarem immer schlimmer. Zwar hatte das süße Kaugummi ihm für kurze Zeit wieder Schwung gegeben, aber es hatte auch die Magensäfte angeregt, sodass er den Hunger jetzt noch stärker spürte. Er sehnte sich nach etwas Kaltem zu essen … Wassereis, Melone, Eiscreme. Und Salz … durch das Schwitzen verlor er so viel Salz.
Auf der ganzen Reise hatte er die Stiefel nicht ausgezogen, und seine Socken waren durchgeweicht. Dummerweise hatte er vergessen, Wäsche zum Wechseln einzupacken, er konnte also keine frischen Socken anziehen. Und er konnte sich auch keine von Hamnet leihen, denn Hamnet und Hazard trugen keine Socken, nur Schuhe, die wie ihre übrige Kleidung aus Reptilienhaut gemacht waren.
Der Hunger in Verbindung mit der Hitze zehrte allmählich an seinen Kräften. Hamnet hatte den Weinschlauch mitShrimps übernommen, doch Gregor schleppte immer noch den großen Rucksack mit Brennöl und Erste-Hilfe-Utensilien und seinen eigenen Rucksack. Alle paar Meter sackte er in den Knien ein. Da spürte er eine Hand auf der Schulter.
»Ich übernehme den Rucksack, Gregor«, sagte Hamnet.
Widerspruchslos ließ Gregor es zu, dass Hamnet ihm den Rucksack von der Schulter zog. Er wünschte, er hätte die Kraft abzulehnen, aber er war einfach nur froh über die Hilfe.
»Danke«, murmelte er.
Hamnet blieb direkt hinter ihm, sodass jetzt Ripred ganz am Ende lief. »Wie ich von Ripred höre, hast du einen Aufruhr verursacht, als du die weiße Ratte am Leben ließest.«
»Das stimmt wohl. Aber da war sie noch ein Baby«, sagte Gregor vorsichtig. Die meisten Menschen waren deswegen sehr wütend auf ihn.
»Das war eine gute Entscheidung. Andernfalls hätten die Ratten niemals in dieses Unternehmen eingewilligt, Pest hin oder her«, sagte Hamnet.
Das hatte Gregor noch gar nicht bedacht, aber tatsächlich war es kaum vorstellbar, dass die Ratten mit dem Mörder der weißen Ratte losgezogen wären. Es war ein gutes Gefühl, zu wissen, dass Hamnet seine Entscheidung für richtig
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