Gregor und der Spiegel der Wahrheit
verbraucht«, sagte Hamnet.
»Kein Wasser. Wie lange gibst du uns ohne Wasser?«, fragte Ripred.
Hamnet schüttelte den Kopf. »Nicht lange. Es wird noch einige Tage dauern, ehe wir zu einer sauberen Quelle gelangen. Wir müssen einfach unser Bestes versuchen.«
»Ich hab ein bisschen Wasser.« Gregor rappelte sich hoch und fasste in seinen Rucksack. Er holte die Flasche mit dem Gletscherwasser heraus. »Ich weiß, es ist nicht viel.«
»Das ist eine ganze Menge, Gregor, wenn es die Kleinen vorm Verdursten bewahren kann. Sie sind am meisten gefährdet, denn sie trocknen am schnellsten aus«, sagte Hamnet und nahm die Flasche. »Wir Übrigen müssen ohne Wasser auskommen.«
Gregor nickte. Natürlich musste das Wasser an Boots und Hazard gehen. Für ihn war es sowieso kein Problem. Er hatte jede Menge runtergekippt, bevor sie auf Nahrungssuche gegangen waren. Er kam schon klar.
»Habt ihr beiden was zu essen gefunden?«, fragte er hoffnungsvoll.
»Nein, nichts Genießbares«, sagte Hamnet.
»Mange hat gesagt, die Früchte, die wir gefunden haben, wären essbar. Er konnte riechen, dass sie gut waren«, sagte Gregor.
»Ach, dann lauf ich am besten mal schnell zurück und schnapp uns ein, zwei Portionen«, sagte Ripred grimmig.
»Na, immerhin haben wir dein Wasser«, sagte Hamnet fast freundlich. »Das kann entscheidend sein. Es war sehr klug, das einzupacken.«
»Mareth hat es eingepackt. Er hat gesagt, sauberes Wasser wäre schwer zu finden«, sagte Gregor.
»Mareth?«, sagte Hamnet. »Hat er es geschafft, all diese Jahre am Leben zu bleiben?«
»Ja, allerdings hat er ein Bein verloren. Auf der Suche nach der weißen Ratte«, sagte Gregor. Er überlegte, dass Mareth und Hamnet etwa im gleichen Alter sein mussten. »Wart ihr befreundet?«
»Ja«, sagte Hamnet. Er drehte die Wasserflasche in den Händen, sagte jedoch nichts weiter.
Es lag Gregor auf der Zunge, Hamnet zu fragen, warum er aus Regalia, wo er seine Familie und seine Freunde hatte, fortgegangen war, um stattdessen in dieser gefährlichen, einsamen Gegend zu leben. Was hatte er geantwortet, als Vikus ihn fragte, was er hier tun könne und in Regalia nicht? »Ich richte kein Unheil an. Ich richte kein Unheil mehr an.« In dem Moment hatte Gregor nicht besonders darauf geachtet. Doch die Worte hatten bewirkt, dass Vikus ohne weitere Diskussion zurück zu seiner Fledermaus gegangen war. Was für ein Unheil hatte Hamnet angerichtet? Es war schwer vorstellbar.
Hamnet stand auf und packte das Wasser zu den Arzneimitteln. »Ich weiß, dass wir alle erschöpft sind, aber ich glaube, wenn wir rechtzeitig eine Quelle finden wollen, müssen wir jetzt weiterziehen. Wirst du es schaffen?«, fragte er Gregor.
»Er schafft es«, zischte Ripred. »Und Lapblood auch. Und wehe, ich höre irgendwelche Klagen von den beiden.«
Hamnet behandelte Lapbloods Auge. Für Nikes Bein fertigte er eine Schiene aus Stein und Stoff. Doch als er ihr ein Schmerzmittel aus einer großen grünen Flasche verabreichen wollte, lehnte sie ab. »Ich möchte meinen Geist nicht vernebeln. Nicht hier.«
Hamnet versuchte sie zu überreden, doch sie blieb hart. »Na gut. Vielleicht ist es für uns alle besser, wenn du einen klaren Kopf behältst. Doch du wirst auf Frill reiten«, befahl er.
»Ich kann fliegen«, sagte Nike.
»Du kannst fliegen, doch du kannst nicht sicher landen. Das Laubwerk wird immer dichter, und dann kommst du nicht mehr gut auf die Erde. Reite, Nike. Und versuche zu schlafen«, sagte Hamnet.
Gregor half Hamnet, Nike in Rückenlage auf Frill zu hieven. Sie mussten sie mit Verbandsstreifen festbinden, damit sie nicht herunterrollen konnte.
»Das Ganze tut mir sehr leid«, sagte Gregor.
»Warum?«, sagte sie fröhlich. »Jetzt kann ich ein schönes Nickerchen halten, während ihr laufen müsst. Ich müsste dir eigentlich danken.«
Sie verhielt sich so großartig, dass Gregor ein noch schlechteres Gewissen bekam.
Auch Hazard kletterte auf die Echse und rollte sich vor Nike in den Falten von Frills Kamm zum Schlafen zusammen. Als Gregor Boots mit dem Bauch nach unten auf Temps Rücken legte, rührte sie sich noch nicht mal. Er hoffte, sie würde möglichst lange schlafen. Ohne etwas zu essen und mit so wenig kostbarem Wasser wusste er nicht, wie er mit ihr fertig werden sollte.
Gregors Stiefel waren durch die Säure ruiniert. Als er auf seine nackten Füße mit den verbundenen Zehen schaute und sich fragte, wie er jetzt weiterlaufen sollte, schälte Hamnet sich
Weitere Kostenlose Bücher