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Gregor und die graue Prophezeiung

Gregor und die graue Prophezeiung

Titel: Gregor und die graue Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Collins
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der Palast bietet den besten Blick auf die Stadt. Bis zum Abendessen bleibt dir noch Zeit, sie zu bewundern.«
    Als Gregor ihm durch die Straße folgte, legte Boots den Kopf in den Nacken und drehte ihn hin und her.
    »Hast du was verloren, Boots?«
    »Mond?«, sagte Boots. Von ihrer Wohnung aus konnte man die Sterne normalerweise nicht sehen, wohl aber den Mond, wenn die Nächte klar waren.
    Gregor schaute in den pechschwarzen Himmel, als ihm einfiel, dass es ja gar keinen Himmel gab. Sie befanden sich in einer riesigen unterirdischen Höhle. »Kein Mond, Kleine. Heute gibt’s keinen Mond«, sagte er.
    »Mann im Mond versteckt«, sagte sie.
    »Hm-hm«, machte Gregor zustimmend. In einer Welt, in der Kakerlaken sprechen konnten und Fledermäuse Ball spielten, gab es vielleicht auch einen Mann im Mond. Erseufzte, als er an das zerfledderte Buch mit Kinderliedern in der Kiste neben Boots’ Bettchen dachte.
    Als sie durch die Straßen gingen, standen die Leute an den Fenstern und starrten sie unverhohlen an. Hin und wieder nickte Vikus jemandem zu oder rief einen Namen, und die Leute hoben die Hand zum Gruß.
    Als Boots das sah, fing sie an zu winken. »Hallo!«, rief sie. »Hallo!« Die Erwachsenen reagierten nicht, aber einige kleine Kinder winkten zurück.
    »Sie sind von euch gebannt«, sagte Vikus mit einer Handbewegung zu den Leuten hinter den Fenstern. »Wir bekommen nicht oft Besuch aus dem Überland.«
    »Woher wussten Sie, dass ich aus New York bin?«, fragte Gregor.
    »Wir wissen nur von fünf Toren zum Unterland«, sagte Vikus. »Zwei führen ins Land des Todes, das hättet ihr niemals überlebt. Zwei führen in die Wasserstraße, doch eure Kleider sind trocken. Ihr lebt, ihr seid trocken, und daraus schließe ich, dass ihr durch das fünfte Tor gefallen sein müsst, dessen Mündung, wie wir wissen, in New York City liegt.«
    »Und zwar in unserem Wäschekeller!«, platzte Gregor heraus. »In unserem Haus!« Er empfand die Tatsache, dass sein Wäschekeller mit diesem seltsamen Ort verbunden war, als Verletzung seiner Privatsphäre.
    »Euer Wäschekeller, ja«, sagte Vikus nachdenklich. »Euer Fall traf auf äußerst günstige Strömungen.«
    »Strömungen? Meinen Sie diesen komischen Nebel?«
    »Ja, ihnen habt ihr es zu verdanken, dass ihr heil angekommen seid. Es ist alles eine Frage des richtigen Zeitpunkts«, sagte Vikus.
    »Was passiert, wenn man den falschen Zeitpunkt erwischt?«, fragte Gregor, aber er kannte die Antwort bereits.
    »Dann hätten wir jemanden zu begraben, nicht zu bewirten«, sagte Vikus ruhig. »So geht es für gewöhnlich aus. Ein lebender Überländer wie du und dann noch deine Schwester dazu, nun ja, das ist höchst außergewöhnlich.«
    Bis zum Palast waren es gut zwanzig Minuten, und Gregors Arme fingen an zu zittern, weil er Boots so lange getragen hatte. Er wollte sie nicht absetzen. Es kam ihm zu gefährlich vor mit den vielen Fackeln.
    Als sie das prächtige Bauwerk erreichten, sah Gregor, dass es keine Wandverzierungen hatte. Die Wände waren glatt wie Glas und das niedrigste Fenster befand sich mehr als fünfzig Meter über dem Boden. Irgendwas stimmte nicht, aber er wusste nicht, was es war. Etwas fehlte. »Es gibt keine Tür«, sagte er laut.
    »Nein«, sagte Vikus. »Türen sind etwas für Leute ohne Feinde. Hier findet selbst der geschickteste Kletterer keinen Halt.«
    Gregor strich mit der Hand über die glänzende Steinwand. Sie wies keinen Spalt auf, nicht die kleinste Kerbe. »Und wie kommt ihr rein?«
    »Für gewöhnlich fliegen wir auf unseren Fledermäusen, doch wenn sie nicht abkömmlich sind …« Vikus zeigte nach oben. Gregor legte den Kopf zurück und sah eine an Seilen befestigte Plattform, die schnell aus einem großen, rechteckigen Fenster herabgelassen wurde. Dreißig Zentimeter über dem Boden hielt sie an, und Vikus stieg hinauf.
    Gregor ging mit Boots hinterher. Seine Höhenangst hatte sich durch den Fall ins Unterland noch verschlimmert. Die Plattform fuhr sofort nach oben, und er suchte an einem der Seile Halt. Vikus stand ganz gelassen da, die Hände vorm Körper gefaltet. Aber Vikus hatte auch kein zappliges Kleinkind im Arm, und wahrscheinlich war er schon hunderttausendmal mit diesem Ding gefahren.
    Es ging schnell und gleichmäßig hinauf. Vor einer kleinen Steintreppe an einem Fenster kam die Plattform zum Stehen, und Gregor trug Boots hinein. Sie standen in einem großen Raum mit gewölbter Decke. Dort wurden sie schon von drei

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