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Greife nie in ein fallendes Messer

Greife nie in ein fallendes Messer

Titel: Greife nie in ein fallendes Messer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedhelm Busch
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Schuldner mehr Geld, und das verwendet er für zusätzlichen Konsum, natürlich nicht zur Schuldentilgung. Oder er stockt die Hypothekenlast auf – schließlich ist ja sein Haus wegen der steigenden Immobilienpreise mehr wert – und steckt auch in diesem Fall das zusätzlich verfügbare Geld in den Konsum.
    Eine andere Spielart der Immobilienspekulation bestand darin, auf Pump ein Haus zu kaufen, auf Pump zu renovieren und umgehend mit hohem Gewinn zu verkaufen, sodann eventuell Schulden |251| zu tilgen und den Rest des Gewinns zu konsumieren. Dieses Vorgehen lud durchaus zur Wiederholung ein.
    Wem das allerdings zu lange dauerte, der verkaufte sein Haus mit großem Reibach, bevor es überhaupt gebaut worden war. Ein Spiel, das die Hypothekenbanken allzu gerne mitspielten oder sogar noch forcierten. Denn ein florierendes Hypothekengeschäft schwemmte schon bei Vertragsabschluss erhebliche Einnahmen in ihre Kassen. Das Risiko indes, sich bei diesem Boom auch den einen oder anderen schwachen Kunden einzuhandeln, der die späteren Zins- und Tilgungslasten nicht würde tragen können, dieses Risiko brachte keinen Bankmanager um den Schlaf. Wieso auch? Angesichts der allgemeinen Preisexplosion für Häuser und Wohnungen waren die beliehenen Immobilien Sicherheit genug. Außerdem konnte selbst dieses geringe Risiko noch verkleinert werden, indem einzelne Hypotheken zu Paketen gebündelt und inklusive der damit verbundenen Forderungen an andere Investoren weitergereicht wurden, die sich nur allzu gerne an dem Boom beteiligen wollten.
     
    Welch schleichendes Gift mit derartigen Geschäften in die Blutbahn der Finanzmärkte gespritzt wurde, ahnte in diesem Herbst 2005 kaum jemand. Aus der Immobilie sprudelte das Geld wie aus einem defekten Geldautomaten. Nach den Schätzungen amerikanischer Volkswirte wuchs im Jahr 2004 die Kaufkraft der Verbraucher in den USA allein aufgrund der Immobilienspekulationen um 80 bis 120 Milliarden US-Dollar. Ein wichtiger Faktor in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, wenn man bedenkt, dass der Konsum der Amerikaner nahezu zwei Drittel des gesamten heimischen Wirtschaftswachstums bestimmt.
    Für das Jahr 2005 rechnete man in den USA mit einem Verkaufsrekord von mehr als 8 Millionen Immobilieneinheiten, das heißt mit fast 100 Prozent mehr als noch zehn Jahre zuvor. In New York wurde das Seagram Building für 647 Millionen US-Dollar verkauft. Drei Jahre zuvor hatte es noch 413 Millionen US-Dollar gekostet. Das entspricht einem Gewinn von mehr als 50 Prozent in nur 36 Monaten. Die Immobilie als Goldesel – für den vermögenden Investor wie für den normalen US-Bürger mit durchschnittlichem oder auch eher |252| geringerem Einkommen. Sie alle waren auf dem direkten Weg in den siebten Himmel der ewigen Glückseligkeit. Und die Wall Street klatschte begeistert Beifall.
    In dem Börsenboom, der nach gut drei Jahren im Frühjahr 2000 jäh beendet worden war, hatten die hohen Aktienkurse der jungen Hightech-Unternehmen wie eine Droge auf die Anleger gewirkt, bis ihnen Alan Greenspan mit steigenden Zinsen den kalten Entzug verordnete. Jetzt, nur fünf Jahre später, waren es die sinkenden Zinsen am Immobilienmarkt, die aus den USA eine allgemeine Zockerbude machten. Alan Greenspan sei gedankt. Wieder war er es, der den Takt schlug, und die Märkte folgten ihm begeistert. Alan Greenspan war ihre Lichtgestalt.
    Und nicht nur in den USA wurde die frohe Botschaft vernommen. »Wettet nie gegen die Geldpolitik der Notenbank«, riefen die Vermögensberater auch ihren europäischen Kunden in Spanien oder Großbritannien zu und traten damit einen Bauboom jenseits aller Vernunft los. Als nach anfänglichem Zögern die Europäische Zentralbank dem amerikanischen Beispiel folgte und die Zinsen im Euroraum auf 2 Prozent senkte, stürzten sich vor allem die Spanier mit einem bemerkenswerten Mut in Immobilienschulden.
    Seit seinem Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft am 1. Januar 1986 erlebt das Land, nicht zuletzt dank der Finanzspritzen aus Brüssel, einen erstaunlichen Aufschwung. Die Bauindustrie und der Tourismus sind dabei die tragenden Säulen, auf denen der Wohlstand der Spanier ruht. Maschinen oder Automobilbau, Chemie oder Stahlerzeugung spielen keine allzu große Rolle in der Welt der spanischen Firmengiganten. Im Grunde ist das keine besonders zukunftsträchtige Perspektive, wenn man bedenkt, dass sich die Bauwirtschaft seit mehr als zehn Jahren, vollgesogen mit unglaublich viel Geld auch aus

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