Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Greife nie in ein fallendes Messer

Greife nie in ein fallendes Messer

Titel: Greife nie in ein fallendes Messer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedhelm Busch
Vom Netzwerk:
kleine Zinsschritte nach oben auf die Sechs-Prozent-Marke zu waren von den Märkten mit leichter Hand beiseitegewischt worden. »Alles schon in den Kursen enthalten«, hatte es immer wieder frohgemut geheißen. Und weiter ging die erfolgreiche Rekordjagd an der Nasdaq, getrieben von einer anscheinend unaufhörlich sprudelnden Liquidität. Schließlich könnten die steigenden Zinsen die Unternehmensgewinne gar nicht beeinträchtigen, weil viele ja sowieso nur Verluste machten. In ferner Zukunft aber würden die Zinsen schon wieder fallen. Wozu sich also heute grämen? Lediglich die Werte der »Old Economy«, die an der Wall Street den guten alten Dow-Jones-Industrial-Index prägten, spiegelten allmählich die Sorge, dass die Konjunktur angesichts der steigenden Zinsen allmählich Wirkung zeigen und die Quartalsgewinne nachgeben könnten.
    Eine fatale Situation für Alan Greenspan. Zeigten sich die Anleger an der Nasdaq weiterhin hartleibig gegenüber jeder Zinserhöhung, |245| musste eigentlich der ganz dicke Knüppel einer drastischen Zinserhöhung aus dem Waffenarsenal der Notenbank geholt werden. Damit aber wuchs die Gefahr eines schlagartigen Einbruchs der Konjunktur, was Greenspan ganz offensichtlich gerade vermeiden wollte.
    Doch schließlich zwang ihn der Gleichmut der Börsianer, die amerikanischen Leitzinsen bis auf 6,5 Prozent hochzuschrauben. Und prompt schlug die Nasdaq mit ihren New-Economy-Werten hart in der Realität auf. Der Index der Hightechbörse verlor schlagartig fast 40 Prozent. Kein Wunder, waren doch besonders die jungen Hightech-Unternehmen durch die steigenden Zinsen gefährdet. Ihre Gewinne lagen, falls es sie überhaupt gab, in aller Regel in weit entfernter Zukunft. Wollte man sie aber auf den heutigen Tag beziehen, etwa um die Aktienkurse dieser Unternehmen mit denen anderer zu vergleichen, musste man sie mit dem aktuellen Zinssatz abzinsen. Je höher die Zinsen, desto weniger sind die Gewinne der Zukunft wert. Nicht zu unterschätzen sind auch die Folgen steigender Zinsen für junge Unternehmen, die unter Liquiditätsmangel leiden. Wie die erwähnte Studie des US-Magazins Barron’s zeigte, traf dies nicht zuletzt junge Einsteiger im Internet.
    Verständlich also, dass die gnadenlosen Zinserhöhungen der US-Notenbank dem Überschwang bei Internetaktien schließlich doch ein jähes Ende bereiteten. Auch die »New Economy« kam halt nicht vorbei an der uralten Börsianerweisheit, dass steigende Zinsen Gift sind für Aktien.
     
    Mit dem Einbruch der Nasdaq platzte auch die Spekulationsblase bei den deutschen Technologiewerten. Hatte die Aktie der Deutschen Telekom noch im Frühjahr 2000 mit fast 105 Euro einen Kursrekord erzielt und die Kleinaktionäre in die freudige Erwartung eines dritten Börsengangs versetzt, so begann am 6. März der lange, deprimierende Abstieg vom höchsten Gipfel ins tiefe Tal, dessen Sohle heute auf einem Niveau von rund 12 Euro liegt. Der dritte Börsengang im Juni 2000 dürfte den erfolgsverwöhnten seinerzeitigen Telekomchef Ron Sommer mit einem Emissionspreis von 66,50 Euro bitter enttäuscht haben. Mit Sicherheit aber ist heute die Enttäuschung der Kleinaktionäre, die damals gekauft haben, ungleich höher – selbst |246| wenn sie als Privatanleger die Aktie zu einem Vorzugspreis von 63,50 Euro erhalten haben sollten. Mit der Ersteigerung der UMTS-Lizenz für fast 8,5 Milliarden Euro wurde, wie beim Mitbewerber Mobilcom, der Absturz eingeläutet, hinunter bis auf das vorläufige Rekordtief von etwas mehr als 8 Euro. Knapp drei Wochen später, am 16. Juli 2002, war für Strahlemann Ron Sommer das Trauerspiel Deutsche Telekom beendet. Er musste seinen Hut nehmen. Seither dümpelt die T-Aktie zwischen 10 und 15 Euro. Von den zahllosen deutschen Kleinaktionären, die sich von Manfred Krug für die T-Aktie hatten begeistern lassen, sind nur die Erstzeichner mit einem blauen Auge davongekommen.
    Noch schlimmer erging es dem Neuen Markt, der seit seiner Geburt im März 1997 erheblich von der anfänglichen Popularität der T-Aktie profitiert hatte. Als die Amerikaner den Technologiewerten an der Nasdaq den Strom abklemmten, war es auch mit der Herrlichkeit der deutschen Technologiebörse vorbei. Zeitgleich mit der Deutschen Telekom verlor der Neue Markt an Wert und Reputation. Am 21. März 2003 war der letzte Handelstag, und am 2. Juni zog die Frankfurter Börse endgültig den Stecker raus. Eine drittklassige Beerdigung für den einstigen Star der deutschen

Weitere Kostenlose Bücher