Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Greife nie in ein fallendes Messer

Greife nie in ein fallendes Messer

Titel: Greife nie in ein fallendes Messer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedhelm Busch
Vom Netzwerk:
waren die Sünden der Vergangenheit eben nicht zu korrigieren. Hinzu kamen die unvorstellbar hohen Devisenreserven der Chinesen und die überquellenden Kassenbestände der rohstoffreichen Schwellenländer, die |273| bei den hohen Rohöl- und Industriemetallpreisen gar nicht wussten wohin mit all der Liquidität. Mit langfristigen Anlagen in solide festverzinsliche Anleihen war kaum noch Geld zu verdienen. Also wurden bei den Entscheidungen über die Geldanlage einfach alle Sicherungen herausgeschraubt.
    Hatte es Jahre zuvor noch geheißen, bei hohen Renditen wegen der entsprechend hohen Risiken Vorsicht walten zu lassen, so stürzten sich jetzt die Anleger bewusst gerade auf die höchsten Risiken, weil die ja auch den größten Gewinn versprachen. Die Möglichkeit von Verlusten wurde leichten Herzens akzeptiert, denn Geld zu niedrigen Zinsen war an jeder Straßenecke zu bekommen – wenn auch nicht mehr in den USA, so doch fast zum Nulltarif in Japan. Selbst die Schweiz offerierte ihren Franken zu Billigstzinsen. Die internationalen Währungsspekulanten, Carry-Trader genannt, liehen sich Yen oder Schweizer Franken zu niedrigen Zinsen, tauschten die Billigwährungen in hochverzinsliche Währungen um und strichen so Milliardengewinne ein. Oder man kaufte ganze Unternehmen und verkaufte sie, in Einzelteile zerlegt, an andere Investoren. In diesem Jahr wurden weltweit von Hedgefonds und Private-Equity-Unternehmen mehr als 3 Billionen US-Dollar für Unternehmenskäufe ausgegeben. Nur eine Hand voll davon war Eigenkapital, also eigener Einsatz, der überwiegende Rest des Spielgeldes hingegen wurde von den Banken gepumpt, die sich über Zinsen, Vermittlungs- und Abwicklungsgebühren einen erheblichen Teil aus dem großen Kuchen schnitten. Bei mancher Bank hatte man den Eindruck, sie würde einem Firmenaufkäufer auch ihre eigene Übernahme finanzieren. Schon der Verdacht einer Übernahme ließ die Kurse des betreffenden Unternehmens und seiner Branchenkonkurrenten in den Himmel schießen. Nach dem Sinn oder dem Preis solcher Übernahmen fragte an den Börsen keiner.
    Nicht wenige fühlten sich an die Hightech-Blase vergangener Zeiten erinnert. Doch Kassandra hatte, wie auch damals in Troja, an den Finanzmärkten keine Chance, Gehör zu finden. Dow Jones, DAX und Co. waren scheinbar nicht mehr zu bremsen.
    Allenfalls die deutschen Privatanleger fühlten sich in dieser besten aller Börsenwelten sichtlich unwohl. Allein im Oktober 2006 hatten |274| sie trotz der andauernden Hausse an den Aktienmärkten Aktienfondsanteile für 1 Milliarde Euro netto verkauft; aufs Jahr gerechnet waren es immerhin 5 Milliarden Euro. Offensichtlich schmerzten die verlustreichen Jahre 2000 bis 2003 immer noch.
    Den Notenbanken in den USA und in Europa muss diese Jahrmarktstimmung an den Finanzmärkten wie Hohn in den Ohren geklungen haben. Siebzehn Zinserhöhungen in den USA, in fünf Schritten hatte inzwischen die EZB die Leitzinsen von 2 Prozent auf 3,25 Prozent angehoben, doch nach wie vor wuchsen die Inflationsgefahren, beschafften sich die Spekulanten ihr billiges Spielgeld auf den internationalen Finanzmärkten, die außerhalb der Notenbankkontrolle agierten. Hier hatten die Banken mit ihren Milliardenkrediten und die Schwellenländer mit billionenschweren Devisenreserven das Sagen. Nicht zu vergessen die japanische Notenbank, die mit ihrer Nullzinspolitik die süchtigen Finanzmärkte immer wieder mit Stoff versorgte.
     
    Anfang 2007 hatte das internationale Geldkarussell eine so hohe Geschwindigkeit aufgenommen, dass mancher Zuschauer danach trachtete, sich rechtzeitig in Sicherheit zu bringen, bevor ihm die ganze Bude mit all den Partygästen um die Ohren flog. Am 11. Februar 2007 hatte Finanzminister Peer Steinbrück zu einem G7-Treffen der Finanzminister und Notenbankchefs nach Essen geladen, um gemeinsam darüber zu beraten, wie man die Finanzmärkte wieder zur Vernunft bringen könnte. In einer Sendung von n-tv zu diesem Thema und in der anschließenden Internetdiskussion auf der Website des Senders hatte ich wenige Tage zuvor meine Erwartung zum Ausdruck gebracht, dass vor allem die japanische Notenbank einen entscheidenden Streich gegen die ausufernde Spekulation der Carry-Trader führen würde. Käme es in Japan zu einer Zinserhöhung oder auch nur zu einer entsprechenden Androhung, würde sicherlich der Yen-Kurs anziehen und alle ausländischen Währungsspekulanten zwingen, möglichst schnell ihre Yen-Kredite zurückzuführen.

Weitere Kostenlose Bücher