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Greife nie in ein fallendes Messer

Greife nie in ein fallendes Messer

Titel: Greife nie in ein fallendes Messer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedhelm Busch
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er wusste natürlich genau den Geräuschpegel auf dem Börsenparkett einzuschätzen, das Geschrei und Getobe der Händler |50| und Makler vor und hinter den hölzernen Kursschranken. Die Wortfetzen und Gesten, die offensichtlich nur eines signalisierten: Verkaufen, verkaufen um beinahe jeden Preis.
    Doch gegen Schluss der Börsensitzung sank fast unmerklich der Geräuschpegel, der Verkaufsdruck ließ nach, neben den roten Orderzetteln konnte ich schon wieder einige grüne ausmachen. Die Kurse auf den großen Anzeigetafeln gaben kaum noch nach. Dass jetzt etwas passieren würde, war mit den Händen zu greifen. Doch welchem Zuschauer halfen meine Ahnungen noch? Die meisten Kleinanleger hatten wahrscheinlich längst ihre Aktienbestände zu Spottpreisen verschleudert. Aber jeder Fehler hat auch seine guten Seiten, wenn man aus ihm lernt. Wie wichtig es ist, sich an der Börse nicht von panischer Angst beherrschen zu lassen, zeigten die folgenden Minuten.
    Plötzlich stieß sich Klaus Nagel von der Wand ab und setzte sich in Bewegung. Ich werde diesen Augenblick nie vergessen: Resolut und zielbewusst schritt der Chefhändler der Deutschen Bank zügig an den Kursmaklern vorbei. Mit beiden Armen fast gleichzeitig winkend, signalisierte er für jeden sichtbar: »Ich kaufe von dir.« Bayer, Veba, Daimler, Siemens, alles, was in den letzten Stunden durch zahllose kleine Verkaufsaufträge ohne sonderliche Gegenwehr hinuntergeprügelt worden war, alles stand offensichtlich auf Klaus Nagels reichhaltiger Einkaufsliste. Ich konnte bei dem Lärm, der auch an normalen Tagen auf dem Börsenparkett herrscht, natürlich nicht verstehen, welchen Umfang Klaus Nagels Kaufaufträge hatten. Es müssen aber gewaltige Stückzahlen gewesen sein.
    Wie ein Lauffeuer ging es über das Börsenparkett: Die Deutsche Bank kauft!! Jetzt erinnerte sich der eine oder andere auch an den Hoffnungsschimmer, der gegen Ende der Freitagsitzung an der Wall Street aufgetaucht war. Analysten und Börsenhändler machten mich auf die geringen Kursverluste der Börsen in Toronto und Tokio aufmerksam, die wegen ihrer geografischen Lage noch vor der Frankfurter Börse auf den Einbruch an der Wall Street hatten reagieren können. Sehr wahrscheinlich werde sich das nachmittags auch positiv auf die New Yorker Börse auswirken. So plötzlich, wie der Crash entstanden war, fiel er in sich zusammen.
    |51| Der Tag danach war nicht weniger aufregend als der Montag. Schon am Montagnachmittag hatte die Wall Street nach anfänglichem Zögern wie erwartet mit den Aufräumarbeiten begonnen und ins Plus gedreht. Für die deutschen Anleger ein Grund mehr, all das zurückzukaufen, was man am Tag zuvor in panischer Angst verkauft hatte. Nach dem Kurssturz vom Vortag gab es nun, am Dienstag, den »Crash nach oben«. Dort, wo 24 Stunden vorher auf den Kurstafeln noch Minusankündigungen vorgeherrscht hatten, wimmelte es von Plus- und Doppelplusankündigungen, die Kursgewinne bis zu 10 Prozent signalisierten.
    Am Ende dieser bemerkenswerten Börsenwoche hatten die Börse und die deutschen Anleger wieder in die Normalität zurückgefunden. Die Kleinanleger hatten aber offenbar die teure Lektion begriffen, die ihnen die Börse erteilt hatte. Bei ihrem Wiedereinstieg am Tag nach dem Crash waren die meisten Kaufaufträge aus ihren Reihen mit einem Limit versehen.
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    Kapitel 3: Kaufen, wenn die Kanonen donnern. Fehlstart im Kuwait-Konflikt
    Im Sommer 1990 schwankte die Stimmung auf dem Frankfurter Börsenparkett zwischen ehrlicher Freude über die bevorstehende Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten und tief sitzenden Ängsten wegen der finanziellen Lasten der deutschen Einheit. An der Spitze der Zweifler und Bedenkenträger marschierten prominente Sozialdemokraten wie Oskar Lafontaine, die das finanzielle Chaos für die Bundesrepublik Deutschland prophezeiten.
    Allein die Modernisierung der ostdeutschen Industrie, so die überall diskutierten Horrorschätzungen, werde die Westdeutschen 800 Milliarden D-Mark kosten, 200 Milliarden D-Mark müsse der Staat aufbringen, um die marode Infrastruktur der DDR auf das Niveau der Bonner Bundesrepublik anzuheben. Die Bahn, das Telefonsystem, die Straßen und die Kanalisation seien in einem desolaten Zustand. Für kapitalisierte Rentenansprüche und für das soziale Netz, in das Millionen arbeitslose Ostdeutsche fallen würden, müssten zusätzlich 2 Billionen D-Mark einkalkuliert werden. Wenn die Hälfte dieser 3 Billionen D-Mark von

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