Greife nie in ein fallendes Messer
Verhältnis zur Chrysler-Aktie steht.
In einem Telefongespräch mit mir versucht die Daimler-Pressestelle, Öl auf die Wogen zu gießen. Standard & Poor’s werde einen europäischen Index installieren, höre ich, in dem dann Daimler-Chrysler-Aktien besonders schwer gewichtet enthalten seien, denn schließlich werde das Unternehmen DaimlerChrysler in den USA eine herausragende Rolle spielen. Im großen DAX werde sich die Gewichtung der Daimler-Aktie nach der Fusion mit Chrysler von gegenwärtig 7,5 Prozent auf annähernd 12 Prozent erhöhen. Das allein könnte den Kurs in Deutschland positiv beeinflussen. Auch in anderen großen Aktienindizes, wie zum Beispiel im Dow Jones Euro STOXX 50, werde sich das Gewicht der DaimlerChrysler-Aktie, verglichen mit der alten Daimler-Aktie, fast verdoppeln.
Ich bringe alle diese Argumente in meinen Schaltungen auf n-tv als Stellungnahme der Daimler-Benz AG, der Verkaufsdruck aber lässt kaum nach. Von langfristigen, fundamentalen Überlegungen will heute niemand etwas hören. Auf dem computergestützten Handelssystem Xetra werden mehr als 5 Millionen Stück gehandelt. Erst als der Kurs unter 114 D-Mark fällt, lässt die Verkaufswut nach. Der DAX ist in der Zwischenzeit bei 3 860 aufgeprallt. Ein Verlust von knapp 400 Punkten!
Fast so schlimm wie Daimler erwischt es die Finanztitel. Deutsche Bank, Commerzbank, Dresdner Bank, die Allianz, alles geht in die Grütze, wie die Börsianer es gerne drastisch formulieren. Aus der Richtung »Terminbörse« überholen sich die Verkaufsangebote gegenseitig. Wer vor wenigen Tagen beispielsweise noch geglaubt hatte, |104| Put-Optionen (Verkaufsoptionen) für den Dezember-Termin auf einzelne Standardtitel bei einem DAX-Stand von 4 200 ohne großes Risiko gegen eine geringe Prämie verkaufen zu können, erlebt ein böses Erwachen. Sein Kalkül, wonach der DAX wohl kaum unter 4 200 fallen dürfte und sich damit auch der Druck auf die entsprechenden DAX-Titel in erträglichen Grenzen halten würde, geht nicht auf; diese sicher geglaubte Basis hält offenbar doch nicht. Die Kurse geraten stärker nach unten in Bewegung als erwartet. Unser Verkäufer der Put-Option muss also damit rechnen, dass er entgegen seiner ursprünglichen Kalkulation als sogenannter Stillhalter durch das Optionsgeschäft gezwungen werden könnte, Aktien zum vereinbarten Put-Basispreis zu kaufen. Zwar könnte sich der DAX bis Dezember natürlich auch wieder bis auf 4 200 oder gar stärker erholen, der Kurs der Aktie, auf die er seine Put-Optionen »geschrieben«, also auf der Basis dessen er verkauft hat, entsprechend steigen; er wäre dann aus dem Schneider, weil in diesem Fall der Käufer der Put-Option, also der Aktieninhaber, seine Papiere wohl kaum zum vereinbarten Basispreis, sondern – wenn überhaupt – zu höheren Kursen auf dem Markt verkaufen und sein Verkaufsrecht dem Stillhalter gegenüber verfallen lassen würde. Aber sicher ist diese Kurserholung keineswegs. Dieses Risiko will jetzt, nur wenige Monate vor dem Dezember-Verfallstag an der Terminbörse, keiner mehr eingehen. Die Angst ist zu groß, dass es noch tiefer in den Keller geht. Also werden schon jetzt auf der Stelle entsprechend den verkauften Puts die gleichen Puts zurückgekauft, wird die Position damit geschlossen oder neutralisiert. Nur leider sind die entsprechenden Puts nach dem Kursrutsch erheblich teurer als die, die man selber vorher verkauft hat. Statt eines kleinen, leicht verdienten Gewinnes gibt es nun unter Umständen einen erheblichen Verlust. Eine andere Möglichkeit, das Geschäft zu schließen, besteht darin, die Gegenwerte der Put-Option, die man nach diesem Kursrutsch sehr wahrscheinlich zum Verfallstag zum vereinbarten, aus heutiger Sicht leider höheren Preis kaufen muss, schon jetzt am Aktienmarkt zu verkaufen, was natürlich die Kurse der Aktien und damit auch den DAX noch stärker nach unten treibt, in Richtung 4 100. Das wiederum verursacht Ängste bei den Put-Verkäufern aus der nächsten Reihe, die nie mit einem DAX-Sturz auf unter 4 100 gerechnet hatten. Durch ihre |105| Aktienverkäufe treten sie nun die nächste Verkaufswelle bei 4 000 los. Die Lawine nimmt Geschwindigkeit auf und reißt die Börse mit sich, immer weiter nach unten.
Neue Gerüchte machen die Runde. Große renommierte Bankinstitute aus der Schweiz, aus den Niederlanden oder aus den USA hätten durch Termin- oder Kreditgeschäfte mit dem angeschlagenen amerikanischen Hedgefonds Long-Term Capital
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