Greife nie in ein fallendes Messer
Fondsmanager wohl kaum getröstet haben. Ihr Schaden war nicht mehr gutzumachen. An der Börse, ganz besonders an den Terminbörsen, kommt es halt nicht darauf an, Recht zu haben, man muss auch Recht bekommen und das, bitte schön, rechtzeitig.
Angesichts dieser vorher nie gesehenen Kursschwankungen auf den Aktien-, Renten- und Devisenmärkten, verursacht durch mögliche Schieflagen einzelner Hedgefonds, nahm die öffentliche Kritik an den Strategien dieser Fonds und an ihrer grundsätzlichen Konstruktion zu.
Schon seit Jahren klagen viele Marktbeobachter immer wieder über die undurchsichtigen Anlagestrategien der Hedgefonds-Spekulanten Mit knapp 2,7 Billionen US-Dollar, so schätzt man heute, sind rund 9 000 Hedgefonds an den Terminmärkten engagiert, rund um den Erdball und im Grunde ohne ausreichende Kontrolle. Ursprünglich zur Risikominderung geschaffen, stellt dieser Markt inzwischen selbst ein Risiko dar, denn viele Marktteilnehmer setzen die Instrumente der Terminbörse nicht ein, um ihre Aktien- oder Rentenbestände gegen einen plötzlichen Kursverfall zu schützen, also zu »hedgen«, sie betreiben vielmehr in gewaltigem Umfang Spekulationsgeschäfte.
Die damit verbundenen Risiken sind aber nicht immer sofort zu erkennen, sie entstehen im Verborgenen und brechen dann plötzlich über den Spekulanten herein. Wenn nur der Spekulant selber in diesen Strudel gerissen würde, könnte die Börse damit leben, aber leider sind die einzelnen Geschäfte der Hedgefonds in ein unendlich weit verzweigtes Netz eingebunden. Ein einzelner Unfall kann das ganze System zum Einsturz bringen.
|126| »Diese Terminbörse ist ein Teufelszeug«, hat die sonst eher leidenschaftslose Börsen-Zeitung einmal geschimpft. Die Terminbörse generell und all diese Puts und Calls seien die Zutaten einer finanzwirtschaftlichen Hexenküche, vermutete schon vor vielen Jahren in der Telebörse ein Mitarbeiter in einem psychologisch-betriebswirtschaftlichen Forschungsprojekt der Universitäten Kiel und München. Gefährlich wird es vor allem, wenn sich die ersten Verluste einstellen. Statt konsequent das Geschäft zu beenden und die Verluste zu akzeptieren, neigt der Anleger dazu, den Einsatz zu erhöhen, um das Blatt doch noch zu wenden. Er handelt dabei nach der Devise »Alles oder nichts«. Nicht selten wird dann alles zu nichts.
Selbst durch die Katastrophen anderer Spieler, wie zum Beispiel Nick Leeson, der Anfang 1995 mit seinen fehlgeschlagenen Spekulationen am japanischen Terminmarkt eine ganze Bank in den Ruin trieb, lassen sich Nachahmer nicht abschrecken. Dagegen wehrte sich ein Terminmarktspezialist in einem Gespräch mit mir vehement gegen den Vorwurf, die Terminbörsengeschäfte seien eine Zeitbombe für die Börsen. »Kein Eindruck könnte falscher sein. Sicher, der Terminmarkt hat seine zwei Gesichter: Man kann auf ihm spekulieren oder seine Wertpapierbestände absichern, aber wie bei der Medizin kommt es darauf an, das Medikament sachgerecht in der richtigen Dosis einzunehmen, will man gesund werden. Ist die Menge zu groß, wird man durch die Medizin unter Umständen erst richtig krank. Am Terminmarkt kommt es ebenso darauf an, durch ständige innerbetriebliche Kontrollen und Risikosteuerungssysteme den Einsatz der Instrumente zu regeln.«
Ich habe von jeher meine Zweifel gehabt, ob tatsächlich der Einsatz mathematisch-statistischer Risikomesssysteme die Gefahren eindämmen kann, die vom Terminmarkt ausgehen. Eine verantwortungsvolle Bank mag ein noch so perfektes Management von Risiken aufgebaut haben, um sich selber vor Verlusten aus Terminmarktgeschäften zu schützen, gegen einen Unfall im System ist sie dennoch nicht gefeit. Schon bei der direkten Gegenseite eines Termingeschäftes kann, aus welchen Gründen auch immer, das Risikomanagement versagen, oder bei einer Gegenseite der Gegenseite. Und so fort. Ein fauler Apfel im Korb kann alle anderen Äpfel verfaulen lassen. Aber |127| was hilft’s? Der Terminmarkt mit all seinen komplizierten Instrumenten und Regelmechanismen ist nicht mehr zurückzudrehen. In der Tat hat er, strikt als Absicherungsinstrument eingesetzt, eine wichtige Funktion an den Finanzmärkten. Aber vielleicht kann man das »Spielen« auf diesem Markt so teuer machen, dass es sich für den »kleinen Spekulanten« nicht mehr lohnt.
Die Angst vor einem weiteren Unfall eines Hedgefonds im Terminmarktsystem war nicht nur den deutschen Rentenhändlern in die Glieder gefahren. Ein Crash am Markt
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