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Greife nie in ein fallendes Messer

Greife nie in ein fallendes Messer

Titel: Greife nie in ein fallendes Messer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedhelm Busch
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New York setzt sich das Drama an den Rentenmärkten fort. Die dreißigjährige US-Treasury, das hochgeschätzte Paradepferd der lang laufenden festverzinslichen Wertpapiere in den USA, wird wie eine Müllanleihe verschleudert. Jetzt möchte ich um nichts auf der Welt in der Haut eines Rentenhändlers stecken. So bombensicher schien der Weg der lang laufenden Festverzinslichen in Richtung steigender Kurse. Und jetzt diese Katastrophe!
    Am nächsten Tag, wie befürchtet, das Rentenchaos, Teil zwei. Überall nur noch Verkaufsangebote. Die großen deutschen Banken, sonst sichere Käufer festverzinslicher Wertpapiere, stellen minutenlang keine Geldkurse, sind nicht einmal bereit, deutsche Pfandbriefe zu kaufen. Der Bund-Future taumelt in den Abgrund, runter bis auf 110,15 Prozent. In nicht ganz drei Handelstagen hat dieser Kontrakt auf den Dezember-Termin 485 Ticks verloren, an diesem Tag allein 228 Punkte. Derartige Bewegungen hat man früher nicht einmal in einem Jahr erlebt.
    In Renditestellen ausgedrückt, sind die Zinsen zehnjähriger Bundesanleihen von Mittwoch auf Freitag um 60 Punkte auf 4,30 Prozent gestiegen. Und ein Ende ist nicht in Sicht.
    »Short gehen, was das Zeug hält«, schreit mir ein sonst so ruhiger Rentenmakler zu, also verkaufen, was man noch gar nicht hat, in der Hoffnung, es für die spätere Lieferung noch billiger auf dem Rentenmarkt kaufen zu können, weil der Kurssturz noch weitergehen wird. »Fixen«, so nennt man diese Handelsstrategie der Börsenprofis. Und der Börsenspott weiß: »Der Fixer ist bei Gott beliebt, weil er nichts hat und trotzdem gibt.«
    Aber so richtig scheint der Makler selber nicht daran zu glauben. »Geht es also weiter in den Keller?«, frage ich zurück, und er schüttelt den Kopf. Wer aus Angst vor dem Kursrisiko in den angeschlagenen |124| Schwellenländern in den letzten Wochen alles auf die solide Karte »US-Treasuries« oder auf deutsche Anleihen gesetzt und dadurch die Kurse nach oben getrieben hat, sitzt plötzlich in der Falle. Die sicher geglaubten Anleihen und die entsprechenden Terminkontrakte haben schlagartig ihren »Langweiler-Charme« verloren. Ihre Kurse rasen wie ein Irrwisch die Kurs-Skala rauf und runter und bringen den armen Anleger um seinen Verstand und um sein Geld. Der vermeintlich sichere Hafen wird gerade wegen der Massenflucht zum spektakulären Schiffsfriedhof. Fast eine griechische Tragödie. »Das ist der reine Wahnsinn hier, und deswegen ist es am besten, gar nichts zu tun«, lautet der Rat des Fachmannes.
    Tatsächlich kommt der Markt zum Schluss des Terminhandels um 18 Uhr ein wenig zur Ruhe. Der Bund-Future schließt über seinem Tagestiefststand bei knapp unter 111 Prozent. Der Wochenschluss-Gong bewahrt den schwer angeschlagenen Bund-Future vor einem katastrophalen Knock-out. Den 10. Oktober des Jahres 1998 wird dennoch kein Rentenhändler vergessen.
     
    Übers Wochenende gab es endlich ein wenig Zeit fürs Atemholen und Erklären.
    Offensichtlich hatten sich Hedgefonds ab August, als der US-Dollar gegenüber der japanischen Währung bis über 147 Yen hinaus angestiegen war, den spottbilligen Yen zu den niedrigen japanischen Zinsen geliehen, dafür Sicherheiten in bestimmter Höhe hinterlegt, den Yen in US-Dollar oder wahrscheinlich auch in D-Mark getauscht und dafür solide höherverzinsliche amerikanische oder auch deutsche Anleihen gekauft. Solange die japanischen Zinsen niedrig blieben und der Yen sogar weiter fiel oder bis zur Fälligkeit, also bis zur Rückzahlung der japanischen Kredite, zumindest auf seinem niedrigen Niveau gegenüber dem US-Dollar verharrte, war das ein todsicheres Geschäft. Als aber am Donnerstag, dem 8. Oktober, der US-Dollar aus dem Stand von deutlich über 130 auf 111 Yen abrutschte, waren wohl in den Vorstandsetagen einiger Hedgefonds die Sicherungen rausgeflogen.
    Bei diesem Yen-Kurs mussten zum einen die Margins, also die Beträge zur Deckung der Kredite, erhöht werden, zum anderen |125| würde bei dem aktuellen Stand des Yen die spätere Rückzahlung der Kredite sehr viel teurer werden, als ursprünglich kalkuliert worden war. Um die zusätzlich geforderte Deckung bringen zu können, wurden in aller Eile, vom verschreckten Kreditgeber erzwungen, Anlagen in den USA oder auch in Deutschland verkauft, koste es, was es wolle. Daher der plötzliche Verkaufsdruck an den so sicher geglaubten Rentenmärkten. Dass der Yen nur einen Tag später wieder in die erwartete Richtung zurückfiel, wird die

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